Mannheim (epd). Der Mannheimer Migrationsforschers Paul Berbée rechnet mit einer anhaltenden Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) wies er auf Ergebnisse einer eigenen Studie hin, wonach die Solidarität in der Bevölkerung im Zuge des großen Flüchtlingsandrangs 2015 nicht eingebrochen ist. „Im Deutschen Freiwilligensurvey gaben 2019 noch 3,6 Prozent der Befragten an, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren.“ Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung seien das mehr als 2,5 Millionen Personen, deutlich mehr, als Geflüchtete nach Deutschland gekommen seien.
Deshalb erwartet Berbée, dass die privaten Hilfen auch dieses Mal über die akute Notversorgung etwa bei der Bereitstellung von privaten Quartieren hinausgehen werden. Das sei für die schnelle Integration der ankommenden Menschen von großer Bedeutung: „Vertrauenspersonen für Geflüchtete sind sehr wichtig, um sich in den sozialen Diensten und der deutschen Bürokratie zurechtzufinden.“ Bislang sind über 190.000 Ukrainer in Deutschland angekommen.
Nach den Ergebnissen der Studie des ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hätten Geflüchtete in Regionen, wo es eine lebendige Zivilgesellschaft gebe, mehr Kontakte zu Einheimischen und seien besser in die Aufnahmegesellschaft integriert. Die Zahlen zeigten, dass dort Geflüchtete im Durchschnitt besser Deutsch sprechen, mehr soziale Kontakte haben und generell über eine höhere Lebenszufriedenheit verfügen. Das gelte unabhängig von der regionalen Wirtschaftskraft, Bevölkerungsstruktur oder Arbeitsmarktlage.
Dass das Engagement der Freiwilligen nicht abreißen werde, begründet der Forscher auch mit den anderen Ausgangsbedingungen im Vergleich zu 2015. Jetzt herrsche Krieg mitten in Europa, von dem Deutschland viel unmittelbarer betroffen sei als von den damaligen Krisen in Afghanistan oder Syrien. „Das Verständnis, warum und woher diese Menschen kommen, ist sehr viel deutlicher ausgeprägt. Das könnte die Solidarität mit ihnen stärken, auch längerfristig.“
Berbée verweist aber noch auf einen anderen Aspekt: „Heute kommen mit deutlicher Mehrheit Frauen und Kinder sowie ältere Menschen und nur wenige jüngere Männer.“ Außerdem habe man heute bessere Strukturen als noch 2015, etwa bei der Bundesagentur für Arbeit, die in Programme für Geflüchtete investiert hat, oder beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das sein Angebot an Integrationskursen stark hochgefahren habe.