Berlin (epd). Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschland mit eindringlichen Worten zu mehr Unterstützung im Krieg gegen Russland aufgefordert. Tausende Ukrainer seien in den vergangenen drei Wochen getötet worden, „die Besatzer haben 108 Kinder getötet - mitten in Europa bei uns im Jahre 2022“, sagte er am Donnerstag in einer Videoansprache an den Bundestag. Und Deutschland befinde sich wieder „hinter der Mauer“.
Selenskyi betonte, die Ukraine habe immer wieder gesagt, dass die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 eine Waffe sei und eine „Vorbereitung auf den großen Krieg“. Die Antwort sei gewesen: „Das ist Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft.“ Dabei sei es Zement gewesen für die neue Mauer.
Auch der Wunsch der Ukraine, Nato-Mitglied zu werden, sei beantwortet worden mit dem Hinweis, dass eine solche Entscheidung nicht anstehe. „Und auch jetzt zögern Sie bei dem Beitritt der Ukraine in die Europäische Union.“ Er fügte hinzu, für manche sei das Politik, aber in Wirklichkeit sei es ein Stein für eine neue Mauer.
Der ukrainische Präsident forderte Deutschland auf, zu helfen, den Himmel über der Ukraine sicher zu machen, um russische Luftangriffe zu verhindern. Ausdrücklich erinnerte er an die Teilnahme von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an der Gedenkveranstaltung für die ermordeten Juden von Babi Jar in der Ukraine im vergangenen Jahr. Auch dort sei nun eine russische Rakete eingeschlagen, sagte er und wies auf die historische Verantwortung Deutschlands hin.
„Ich wende mich an euch im Namen aller Ukrainer“, betonte Selenskyi. „Helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen.“ Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen bedachten ihn mit stehendem Applaus. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) versprach: „Die Welt steht der Ukraine bei. Auch Deutschland ist an Ihrer Seite.“
Nach der 20-minütigen Sonderveranstaltung wurde die Sitzung des Parlaments offiziell eröffnet. Anstelle einer Debatte über die Ukraine wurde im Plenum über die allgemeine Corona-Impfpflicht diskutiert. Insbesondere von der Unionsfraktion gab es scharfe Kritik an dieser Tagesordnung. Eine Aktuelle Stunde zu dem Thema hatte am Mittwoch stattgefunden.