Dortmund (epd). Die Lesefähigkeit von Grundschülern in Deutschland ist infolge der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen. Der Anteil an Viertklässlern, die gut bis sehr gut lesen können, lag im vergangenen Jahr bei 37 Prozent, wie eine am Dienstag vorgelegte Studie eines Forschungsteams am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Technischen Universität Dortmund ergab. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als fünf Jahre zuvor.
Die Analysen des sogenannten IFS-Schulpanel basieren auf Daten von rund 2.200 Viertklässlern aus dem Jahr 2016 und fast 2.100 Viertklässlern aus dem Jahr 2021. Jungen und Mädchen aus 111 Grundschulen in Deutschland wurden dabei anhand standardisierter Lesetests überprüft. Der Rückgang des mittleren Kompetenzniveaus betrifft den Forschern zufolge alle untersuchten Schülergruppen. So sind zwar Mädchen im Lesen im Mittel weiterhin stärker als Jungen, allerdings sank das durchschnittliche Leseniveau beider Gruppen.
Zum Zeitpunkt der Erhebung im Jahr 2021 lag hinter den Grundschülern über ein Jahr pandemiebedingter Einschränkungen im Unterricht. „Drückt man es in Lernjahren aus, fehlt den Kindern im Durchschnitt etwa ein halbes Lernjahr“, sagte Ulrich Ludewig, Co-Leiter der Studie. „Wird die Veränderung in der Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigt, wird die Lücke zwar etwas kleiner, der signifikante Rückgang der mittleren Lesekompetenz bleibt jedoch.“
Nach der repräsentativen Studie wuchs der Anteil der Jungen und Mädchen, die Probleme mit dem Lesen und dem Textverständnis haben, um sechs Punkte auf 28 Prozent. „Da Lesen eine zentrale Kompetenz darstellt, hat dieses Ergebnis auch Auswirkungen auf alle anderen Schulfächer“, betonte Studienleiterin Nele McElvany.
Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, wertete die Untersuchung als Beleg für ein unterfinanziertes Bildungssystem. „Solange Kitas und Schulen durch die politisch Verantwortlichen nicht so ausgestattet werden, dass sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch erfüllen können, werden festgestellte Defizite trotz allen Engagements des pädagogischen Personals nicht behoben werden können“, mahnte er.
Die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer sieht sich durch die Studie in ihrer Präferenz für den Präsenzunterricht in der Schule auch in Pandemiezeiten bestätigt. „Die Studie zeigt, wie wichtig der Einsatz für den Präsenzunterricht war und nach wie vor ist“, sagte die FDP-Politikerin. „Zugleich zeigen die Ergebnisse deutlich, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen bei der Aufarbeitung pandemiebedingter Lernrückstände umfassend unterstützen müssen.“ Deshalb habe das Land das Aktionsprogramm „Ankommen und Aufholen“ und die dafür zur Verfügung stehenden Bundesmittel auf insgesamt 430 Millionen Euro verdoppelt.