Knaus: Europa braucht Plan für Verteilung von Flüchtlingen

Knaus: Europa braucht Plan für Verteilung von Flüchtlingen
14.03.2022
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Berlin (epd). Der Migrations-Experte Gerald Knaus hat einen Plan für die rasche Verteilung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge innerhalb Europas gefordert. „Wir stehen vor der größten Flüchtlingsbewegung innerhalb Europas seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Knaus dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch diese Erkenntnis sei noch nicht bei allen durchgedrungen. Auch zehn Millionen Kriegsflüchtlinge, die nach Europa kommen könnten, seien nicht unrealistisch.

Bislang gebe es keine nennenswerten Versuche, Flüchtlinge aus den Grenzstaaten wie Moldau, Rumänien oder der Slowakei per Flug zu verteilen, sagte Knaus. In Moldau, mit 2,4 Millionen Einwohnern, seien derzeit mehr als 100.000 Flüchtlinge aus der Ukraine untergekommen. Damit sei der Staat, der nicht Mitglied in der EU und einer der ärmsten Europas ist, an der Belastungsgrenze. Das seien zudem mehr Flüchtlinge, als etwa Österreich im Zuge der Migrationskrise 2015 aufgenommen habe. Und es gebe bislang keinen Plan, wie man Staaten wie Moldau, Rumänien, Ungarn oder auch Polen weiter entlasten könne.

Diese Länder müssten nicht nur in der Aufnahme unterstützt werden, sondern auch durch eine europäische Mobilisierung mittels einer Luftbrücke, die Flüchtlinge in alle aufnahmebereiten Städte Europas bringt. Ohne eine solche Sofortmaßnahme komme auch Deutschland mit der Zahl der Weiterreisenden schwer zurecht, sagte Knaus. Deutschland habe ein humanitäres, moralisches, politisches und nationales Interesse, dass dies funktioniere, und könne dazu beispielsweise in einer G7-Initiative einen Koordinator ernennen. Knaus ist Gründungsvorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI).

Bereits jetzt habe Europa in nur zwei Wochen wesentlich mehr Menschen aufgenommen als 2015, sagte der Migrationsforscher. Die Flüchtlinge aus der Ukraine könnten nirgendwo anders hin. Durch die Massenzustromrichtlinie sei eine Basis zur erleichterten Aufnahme von schutzsuchenden Ukrainern geschaffen worden. „Doch die Schwierigkeiten beginnen erst“, betonte Knaus. Wenn die EU keine Luftbrücke organisiere, mit Tausenden Flügen noch vor Ende März, dann irrten sehr bald Millionen durch Europa auf der Suche nach einer Unterkunft. „Die Putin-Freunde in Europa warten nur darauf, dass der Empathie-Moment vergeht, um sich dann auf die Schwierigkeiten zu stürzen.“

Das Ziel von Putins Politik sei eine politische Destabilisierung europäischer Demokratien. Dem müsse eine freiwillige organisierte Aufnahme, aufbauend auf der breiten europaweiten Empathie, entgegensetzen. „Es braucht dazu auch den moralischen Druck, aber der muss positiv sein. Die EU kann nicht zwangsweise Flüchtlinge verteilen, das haben wir gelernt“, sagte Knaus. Es sei ein weltweites Zeichen, dass Europa es im Notfall ernst meine mit seinen Werten.