Arbeitsmarkt-Studie: Mindestlöhne in EU steigen

Arbeitsmarkt-Studie: Mindestlöhne in EU steigen

Düsseldorf (epd). In Ländern der Europäischen Union steigen die Mindestlöhne laut einer Studie. Wie Deutschland haben die meisten europäische Staaten ihre Mindestlöhne zum Jahreswechsel erhöht, wie der internationale Mindestlohnreport des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf zeigt. Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht zeigt, dass der mittlere Zuwachs, der sogenannte Medianwert, zum 1. Januar 2022 in der Europäischen Union vier Prozent betrug und damit etwas größer als im Vorjahr (3,1 Prozent) ausfiel.

Mit einem Mindestlohn von aktuell 9,82 Euro stehe Deutschland derzeit unter den westeuropäischen EU-Ländern weiterhin an sechster und letzter Stelle, erklärten die Autoren der Studie, Malte Lübker und Thorsten Schulten. Deutlich höhere Mindestlöhne haben demnach Luxemburg (13,05 Euro), die Niederlande (10,58 Euro), Frankreich (10,57 Euro), Irland (10,50 Euro) sowie Belgien (10,25 Euro). Mit der bereits beschlossenen Anhebung auf 10,45 Euro zum 1. Juli schließe Deutschland jedoch zu dieser Gruppe auf. Außerhalb der EU wird in Großbritannien der Mindestlohn im April dieses Jahres auf umgerechnet 11,05 Euro angehoben.

Mit der geplanten Einführung eines Mindestlohns von zwölf Euro zum 1. Oktober würde Deutschland sogar „vom bisherigen Nachzügler in der Mindestlohnpolitik zu einem Vorreiter“ avancieren, erklärten die Autoren des Berichts. Innerhalb der Europäischen Union wäre die Bundesrepublik damit an zweiter Position nach Luxemburg.

Für Deutschland entspricht ein geplanter Mindestlohn von zwölf Euro etwa der Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns, die international als Richtwert für ein angemessenes Mindestlohnniveau gilt, wie die Arbeitsmarktforscher errechneten. Auch die Europäische Kommission beziehe sich in ihrem Entwurf für eine Mindestlohnrichtlinie auf dieses Kriterium, hieß es. Nach Berechnungen der Industrieländer-Organisation OECD habe Deutschland zuletzt mit einem Wert von nur 50,7 Prozent noch weit unterhalb dieser Schwelle gelegen. Im Vergleich zum nationalen Lohnniveau deutlich höhere Mindestlöhne haben beispielsweise Portugal (65,1 Prozent des Medianlohns) und Frankreich (61,2 Prozent).

Keinen Mindestlohn haben den Angaben nach Österreich, die nordischen Länder und Italien. In diesen Staaten bestehe aber eine sehr hohe Tarifbindung, die auch vom Staat unterstützt werde, hieß es.

Bezogen auf Deutschland regen die WSI-Forscher an, die Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns als Kriterium für künftige Anpassungen des Mindestlohns auch gesetzlich zu verankern. „Dieser Schritt würde das Mandat der Mindestlohnkommission stärken und ihren Handlungsspielraum für die Zukunft erweitern.“