Karlsruhe, Berlin (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag einen Eilantrag gegen die Corona-Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen abgewiesen. Damit steht die berufsbezogene Impfpflicht weiter auf der politischen Agenda. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief im Bundesrat zu mehr Gemeinsamkeit bei der Umsetzung auf. In Berlin stellten Bundestagsabgeordnete den bisher weitestgehenden Antrag für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab Oktober vor.
Die Karlsruher Richter entschieden, es bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht rechtfertigen (AZ: 1 BvR 2649/21). Allerdings gebe es wegen formaler Mängel Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die aber nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden können. So sei im Gesetz nicht klar geregelt, welche Anforderungen an den Impf- oder Genesenennachweis gestellt würden. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte dazu, man werde sich das „genau angucken und im Detail prüfen“.
Dem Eilantrag gaben die Richter nicht statt, weil bei einer Abwägung der Schutz der pflegebedürftigen Menschen vor einer Ansteckung und Erkrankung schwerer wiege als die geringe Wahrscheinlichkeit von Impfnebenwirkungen bei den Antragstellern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte, das Gericht setze die richtige Priorität. Die Antragsteller, die überwiegend als Pfleger oder Ärztinnen arbeiten, sehen mit der Impfpflicht für ihre Berufsgruppen hingegen ihre Grundrechte verletzt. Nicht geimpften Beschäftigten drohen Arbeitsverbote.
Kanzler Scholz erinnerte bei seiner Antrittsrede im Bundesrat daran, dass Bund und Länder sich die einrichtungsbezogene Impfpflicht gemeinsam vorgenommen hätten. Sie gilt ab Mitte März für Personal in Einrichtungen, in denen durch Covid-19 besonders stark gefährdete Menschen betreut, behandelt oder versorgt werden und sorgt seit Wochen für Streit.
Unterdessen konkretisieren sich die Anträge im Bundestag für eine Corona-Impfpflicht weiter. Die für eine Impfpflicht ab 18 Jahren eintretenden Bundestagsabgeordneten aus den Ampel-Fraktionen präsentierten ihren Gesetzesvorschlag für eine allgemeine Impfpflicht ab 1. Oktober. Auch die Unionsfraktion legte einen Antrag vor.
Rechtzeitig vor dem nächsten Winter könne mit einer Erwachsenen-Impfpflicht das Land auf eine weitere Corona-Welle vorbereitet werden, ohne erneut das öffentliche Leben stark einschränken zu müssen, erklärten die sieben Initiatorinnen und Initiatoren aus den Ampel-Fraktionen SPD, Grünen und FDP. Die Erwachsenen-Impfpflicht soll bis Ende 2023 befristet werden und mit einer dreimaligen Impfung oder einer zweimaligen Impfung und einer überstandenen Infektion mit Genesungsnachweis erfüllt sein. Informationen und die Sammlung der Nachweise sollen über die Krankenkassen laufen, die Nicht-Geimpfte dann an die Behörden melden. So sollen sich noch möglichst viele Menschen bis Oktober dreimal impfen lassen.
CDU und CSU im Bundestag legten einen eigenen Antrag vor, in dem die Fraktion die Einrichtung eines Impfregisters fordert und sich gegen eine allgemeine Corona- Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt ausspricht. Stattdessen plädiert die Union für einen sogenannten Impfmechanismus, bei dem je nach Infektionslage der Bundestag später eine - gegebenenfalls auch nur auf ältere Menschen oder bestimmte Berufsgruppen beschränkte - Impfpflicht beschließt.
Ende Januar hatte der Bundestag erstmals über die mögliche Ausweitung einer Corona-Impfpflicht debattiert. Inzwischen gibt es fünf Vorschläge verschiedener Abgeordnetengruppen, eine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahre einzuführen, sie nur auf Ältere auszuweiten oder auf eine allgemeine Impfpflicht zu verzichten. Eine Entscheidung trifft das Parlament voraussichtlich bis Ende März.