Mediziner warnen vor Verharmlosung von Cannabis

Mediziner warnen vor Verharmlosung von Cannabis
Zum Schutz insbesondere von Jugendlichen will die Bundesregierung den Verkauf von Cannabis in lizenzierten Geschäften einführen. Mediziner der Technischen Universität Dresden halten dem eine hohe Zahl an jugendlichen Abhängigen entgegen.

Dresden (epd). Ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Dresden gibt dem Streit um die geplante Legalisierung von Cannabis in Deutschland neue Nahrung. Demnach suchen 84 Prozent der Patienten die Suchtambulanz der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik wegen schädlichen Gebrauchs oder Abhängigkeit von Cannabis auf. Erst an zweiter Stelle folgten mit 52 Prozent Fälle von Alkoholmissbrauch, sagte Yulia Golub, Ärztin und Autorin einer Handreichung über einen im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelten neuen Therapieansatz.

Der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) warnte vor diesem Hintergrund am Montag vor einer Legalisierung von Cannabis. Er äußerte sich besorgt über eine „falsche Signalwirkung, hier habe man es mit etwas Unproblematischen zu tun, dessen Konsum unschädlich sei“. Drogenkonsum bei Jugendlichen finde zu wenig Beachtung, sagte er bei der Vorstellung eines Forschungsprojekts der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. In dem Projekt wurde ein neues Therapie-Konzept für suchtkranke junge Menschen entwickelt. Das sächsische Wissenschaftsministerium unterstützte das dreijährige Forschungsprojekt mit einer halben Million Euro.

Jugendliche sollten keinen oder zumindest so spät wie möglich Kontakt zu Cannabis haben, mahnte die Autorin der Handreichung über den neuen Therapieansatz. „Natürlich bin ich besorgt, was die Verfügbarkeit angeht“, sagte Golub im Hinblick auf die Pläne zur Legalisierung als Genussmittel. Jugendliche seien beim Erstkonsum von Cannabis im Durchschnitt 13,5 Jahre alt.

Wichtig sei es, die Sucht gemeinsam mit gleichzeitigen psychischen Störungen zu behandeln, sagte Golub. Neu an dem Therapiekonzept „DELTA - DrEsdner MuLtimodale TherApie für Jugendliche mit chronischem Suchtmittelkonsum“ sei die Kombination aus Einzel- und Gruppensitzungen in Verbindung mit Angeboten an die Familie und das Umfeld der Betroffenen: „Häufig wissen Eltern nicht, welche Substanzen es gibt und welche Wirkungen sie auslösen.“

In der Vergangenheit sei zunächst die Sucht und erst später andere psychische Erkrankungen behandelt worden. Es handle sich aber um einen „Teufelskreis“, denn beide Störungen bedingten sich gegenseitig. Die Verharmlosung von Cannabis-Konsum werde zunehmend vom Umfeld der Jugendlichen akzeptiert, beklagte die Medizinerin.

Der Direktor der Dresdner Uni-Klinik für Jugendpsychiatrie, Veit Roessner, warnte, eine wachsende Gruppe von Jugendlichen konsumiere in erhöhtem Maße Medien und Cannabis. Dieses würde bei Einsamkeit vor allem bei Mädchen als „Selbstmedikation“ eingesetzt. Cannabinoide würden immer früher konsumiert. Im Gegensatz zu Rauchen hätten sie mittlerweile ein „positives Image“. Roessner forderte eine stärkere Reglementierung von Medien und Cannabis: „Nur mit Prävention werden wir dem nicht Herr.“

Die Bundesregierung plant die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften. Dadurch würden „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es im Koalitionsvertrag.