Frankfurt a.M., Yangon (epd). Zum Jahrestag des Putsches in Myanmar am Dienstag haben Oppositionelle zu Protesten gegen das Militärregime aufgerufen. Landesweit schlossen sich Menschen einem „stillen Streik“ an, wie das Nachrichtenportal „Myanmar Now“ berichtete. Fotos in den sozialen Netzwerken zeigten leere Straßen und geschlossene Geschäfte. Zudem gab es landesweit kleinere Kundgebungen und Protestmärsche. Die Militärjunta hatte allen Menschen, die sich an den Streiks beteiligten, lebenslange Haft angedroht. Laut Medienberichten wurden mehr als 100 Menschen verhaftet. Derweil kritisierten UN-Vertreter das brutale Vorgehen des Militärs seit der Machtergreifung vor einem Jahr.
Seit dem Umsturz vom 1. Februar 2021 versinkt das südostasiatische Land im Chaos. Laut der Gefangenen-Hilfsorganisation AAPP wurden bislang mehr als 1.500 Menschen bei Protesten getötet, darunter Kinder, friedliche Demonstranten, Menschenrechtler und medizinisches Personal. Mehr als 11.800 Personen wurden verhaftet, davon sitzen etwa 9.000 Menschen weiter hinter Gittern. Auch nach den Protestaktionen am Dienstag wurden laut einem Bericht der Nachrichtenseite „Khit Thit Media“ mehr als 100 Menschen in der früheren Hauptstadt Yangon verhaftet.
Anlässlich des Jahrestages des Putsches prangerten UN-Vertreter das brutale Vorgehen des Militärs gegen die Bevölkerung an. Der UN-Chefermittler des Unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Myanmar, Nicholas Koumjian, sagte, die Gräueltaten könnten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ oder „Kriegsverbrechen“ eingestuft werden. Es gebe glaubwürdige Vorwürfe über willkürliche Inhaftierungen, Folter, sexuelle Gewalt und sogar Tötungen während der Haft. Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar, Tom Andrews, forderte eine entschlossenere Reaktion der Weltgemeinschaft.
Das in London ansässige „Burma Human Rights Network“ kritisierte in einem neuen Bericht, dass die Junta bislang straflos davongekommen sei. Das Militär glaube, eine Lizenz zum Töten zu haben, sagte der Chef der Organisation, Kyaw Win, bei einer Pressekonferenz in Bangkok. Nach dem Völkermord an den muslimischen Rohingya habe es keinerlei Konsequenzen gegeben. Das habe die Militärs darin bestärkt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit im ganzen Land zu begehen.
Die EU rief gemeinsam mit Partnerländern zu einem Ende der Gewalt auf. Verkauf und Weitergabe von Waffen sowie technische Hilfe müssten eingestellt werden, hieß es in einer unter anderem von den USA und Großbritannien mitunterzeichneten Erklärung. Die USA hatten bereits am Montag (Ortszeit) in Absprache mit Großbritannien und Kanada neue Sanktionen gegen sieben Personen und zwei Einrichtungen in Myanmar verhängt. Nach Angaben des US-Finanzministeriums in Washington richten sich die Strafmaßnahmen gegen Angehörige der Justiz sowie weitere Vertraute der Militärjunta.
Unterdessen veröffentlichten die Vereinten Nationen am Dienstag ihren Hilfsappell für Myanmar. Für das Jahr 2022 brauchen die UN und ihre Partnerorganisationen 826 Millionen US-Dollar (734 Millionen Euro) von Gebern, wie das Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe in Genf mitteilte. Mit dem Geld soll die humanitäre Hilfe für 6,2 Millionen notleidende Menschen finanziert werden. Die schwere politische und wirtschaftliche Krise sowie die Corona-Pandemie hätten rund 25 Millionen Menschen in Armut gestürzt.
Die Armee hatte den Umsturz vor einem Jahr mit Wahlbetrug begründet, ohne Beweise vorzulegen. Aung San Suu Kyis Partei „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) hatte die Abstimmung vom November 2020 klar gewonnen, die Partei der Militärs war unterlegen. Die gestürzte De-Facto-Regierungschefin Suu Kyi war wenige Stunden nach dem Putsch zusammen mit dem ebenfalls entmachteten Präsidenten Win Myint verhaftet worden.