Steinmeier diskutiert mit Impfskeptikern

Steinmeier diskutiert mit Impfskeptikern
Vor dem Hintergrund der Debatte um eine Corona-Impfpflicht hat Bundespräsident Steinmeier Experten und Bürgerinnen zu einer Diskussion eingeladen. Befürworter und Gegner sollten ins Gespräch kommen, am Ende dominierten die Impfskeptiker die Runde.
12.01.2022
epd
Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). „Impfpflicht bedeutet Debattenpflicht.“ Das sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt eines Gesprächs am Mittwoch mit Experten und Bürgerinnen über die derzeitige politische Diskussion. Verantwortliche in Parteien, Regierungen und Parlamenten forderte er zu einer breiten Debatte mit der Bevölkerung auf. Gerade weil man über eine einschneidende Maßnahme spreche, müsse man an die Begründung besonders hohe Ansprüche stellen, sagte er. Steinmeier versuchte sich am Mittwoch selbst als Moderator in solch einem Gespräch und erfuhr die damit verbundene Emotionalität. Auch wenn sie in der Minderheit waren, nahmen die beiden Impfskeptiker in der Runde den größten Raum ein.

Eingeladen hatte Steinmeier unter anderen einen Modellierer und eine Expertin für Gesundheitskommunikation, zwei Lehrer, eine Pflegedienstleiterin und eine Krankenschwester. Vor allem letztere, die die schweren Konsequenzen der Covid-Infektionen im Krankenhaus und Pflegeheim hautnah miterlebten, warben für die Impfung gegen Corona. „Wenn wir wissen, dass Impfungen Infektionen vermeiden, gehört es für mich zur Selbstverständlichkeit, sich impfen zu lassen“, sagte die Kölner Krankenschwester Ellen Schaperdoth.

Seit es die Impfungen gibt, gebe es kaum noch Infektionen in den Heimen, und Besuche könnten wieder stattfinden, sagte die Leiterin eines Caritas-Pflegezentrums in Berlin, Sigrid Chongo. Beide berichteten von einer hohen Impfquote im Kollegium. Dann blieben sie lange Zeit still in der Diskussion, zu der ein Teil der Teilnehmer digital zugeschaltet war.

Denn zwei weitere in der Runde, die lange Statements mit Statistiken vorbereitet hatten, forderten viel Aufmerksamkeit des Moderators. Die baden-württembergische Lehrerin Gudrun Gessert und Oliver Foeth, Assistent der Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens in Bamberg, plädierten mit Verve gegen eine Impfpflicht. Jeder müsse das Risiko selbst für sich abwägen können, sagte Foeth und verwies auf mögliche Nebenwirkungen der Impfung.

Gessert führte Corona-Infektionen bei Geimpften als Argument gegen die Impfpflicht an. Die Impfung bezeichnete sie zwar trotzdem als „richtig, wichtig und notwendig“ und als Maßnahme, um die Pandemie zu beenden. Gessert hat sich nach eigenen Worten bislang selbst nicht impfen lassen, weil sie nicht bereit sei, eine „Dauerschleife“ von Auffrischungsimpfungen mitzumachen.

Gegen die Impfskepsis der beiden kamen auch die Experten in der Runde mit ihren Argumenten kaum an. Kai Nagel, Berliner Professor für Verkehrssystemplanung und Modellierer, hielt entgegen, dass die Impfung das Ansteckungsrisiko zumindest minimiere, wenn auch nicht ganz verhindere. Er verwies auf den Solidaraspekt der Impfung: „Wenn ich die Infektion zulasse, entstehen Ketten und darin schwere Verläufe“, sagte er. Dies könne man mit der Impfung verhindern, „etwa so, wie ich mein Auto zum TÜV bringe“, sagte Nagel.

Cornelia Betsch, Erfurter Professorin für Gesundheitskommunikation, erwiderte zu den befürchteten Nebenwirkungen, durch die Impfung von inzwischen mehr als vier Milliarden Menschen seien auch sehr seltene Nebenwirkungen jetzt bekannt. Darauf werde auch reagiert, indem etwa bestimmte Altersgruppen bestimmte Impfstoffe nicht mehr bekommen. „Bei mir persönlich schafft das Vertrauen“, sagte Betsch, die zur Impfbereitschaft und -gegnerschaft forscht.

Beide Experten legten sich in der Runde ebenfalls nicht für oder gegen die Impfpflicht fest. Betsch warnte aber vor den gesellschaftlichen Folgen solch einer Entscheidung. 60 bis 70 Prozent der bislang nicht Geimpften wollten die Impfung auch weiter nicht, sagte sie. Grund sei mehrheitlich Angst. „Wenn man Angst vor etwas hat, und es droht eine Pflicht, löst das ein Gegengefühl aus“, sagte sie. Das sei gesellschaftlich schwierig händelbar.