"Pushback" ist das Unwort des Jahres 2021

"Pushback" ist das Unwort des Jahres 2021
Die Suche nach dem Unwort des Jahres 2021 wurde zwar von der Corona-Debatte dominiert. Gewählt wurde mit "Pushback" jedoch ein Begriff aus dem Migrations-Diskurs. Er beschönige einen menschenfeindlichen Prozess, kritisierte die Jury.

Marburg (epd). Das Unwort des Jahres 2021 lautet „Pushback“. Mit dem englischen Begriff für „zurückdrängen, zurückschieben“ werde die Praxis von Europas Grenztruppen beschrieben, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen, sagte die Jury-Sprecherin Constanze Spieß am Mittwoch in Marburg. Damit werde ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, der Flüchtenden die Möglichkeit nehme, ihr Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen.

Nach Ansicht der Jury trägt der Gebrauch des Fremdworts zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte bei und verschweigt zudem, dass der Akt des Zurückdrängens mit Gewalt verbunden ist und tödlich enden kann. Die Jury kritisierte zudem die in den Medien „unreflektierte Nutzung“ dieses Wortes auch bei Kritikerinnen und Kritikern.

Auf den Plätzen zwei und drei landeten der Begriff „Sprachpolizei“ und mehrere Ausdrücke wie „Impfnazi“ oder „Ermächtigungsgesetz“, die im Zuge der Corona-Demonstrationen von Impfgegnern verwendet würden und eine Ähnlichkeit zwischen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie und der nationalsozialistischen Diktatur nahelegten.

Mit dem Ausdruck „Sprachpolizei“ werden nach Ansicht der Jury Personen diffamiert, die sich für eine geschlechtergerechte Sprache einsetzen. Er sei irreführend, weil er suggeriere, dass es eine Instanz gebe, die über die Einhaltung von Sprachregeln wache und bei Nichteinhaltung Bestrafungen vorsehe.

Zu Vergleichen mit dem Nationalsozialismus wie „Ermächtigungsgesetz“ (für Infektionsschutzgesetz) oder dem gelben Stern mit dem Aufdruck „ungeimpft“, merkte die Jury an, dass deren Verwendung zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, zur Verhöhnung der Opfer der NS-Diktatur und in manchen Fällen zu einer Opfer-Täter-Umkehr führe.

Das persönliche Unwort 2021 des Gast-Jurors Harald Schumann lautet „Militärschlag“. Der Begriff sei eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt, kritisierte der Journalist.

Für das Jahr 2021 erhielt die Jury insgesamt 1.308 Einsendungen. Es wurden 454 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen, von denen knapp 45 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen. Unter den häufigsten Einsendungen waren „Tyrannei der Ungeimpften“ (287 Mal), „illegaler Kindergeburtstag“ (71), „Querdenker“ (47), „systemrelevant“ (24), „boostern“ (22) und „Covidiot“ (20).

Die Aktion Unwort des Jahres rügt Wörter und Formulierungen, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, gesellschaftliche Gruppen diskriminieren, stigmatisieren und diffamieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind.

2020 hatte die Jury mit „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“ erstmals zwei Begriffe ausgewählt. Die Unwörter der Vorjahre lauteten „Klimahysterie“ (2019), „Anti-Abschiebe-Industrie“ (2018), „alternative Fakten“ (2017), „Volksverräter“ (2016), „Gutmensch“ (2015) und „Lügenpresse“ (2014). Anfang Dezember hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden „Wellenbrecher“ zum „Wort des Jahres“ gekürt.

Die Sprecherin der Unwort-Jury, Constanze Spieß, ist Professorin für Pragmalinguistik an der Marburger Philipps-Universität. Weitere ständige Mitglieder die Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Trier) sowie die Journalistin und Dozentin Alexandra-Katharina Kütemeyer. Hinzu kam Gast-Juror Harald Schumann.

Der Begründer der sprachkritischen Aktion, der Frankfurter Germanistikprofessor, Horst Dieter Schlosser, war von 1991 bis 2010 Vorsitzender und Sprecher der Jury. Von 2011 bis 2020 bekleidete die Darmstädter Sprachwissenschaftlerin Nina Janich diese beiden Ämter.