Covid-19: Jean Ziegler fordert Hilfe reicher Staaten für den Süden

Covid-19: Jean Ziegler fordert Hilfe reicher Staaten für den Süden
31.12.2021
epd
epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Genf (epd). Der Globalisierungskritiker Jean Ziegler fordert ein umfangreiches Hilfsprogramm der reichen Länder zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in armen Staaten. Die wohlhabenden Länder in Europa und Nordamerika hätten eine moralische Pflicht zur Unterstützung der Armen, sagte der Schweizer Soziologie-Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf.

„Die Hilfe ist auch im eigenen Interesse, um weitere Mutationen des Erregers zu verhindern“, betonte der frühere UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Die niedrigen Impfraten in Afrika und anderen Regionen des globalen Südens bezeichnete Ziegler als einen „Skandal und eine Schande“. Weiter sagte der Buchautor: „Das kapitalistische System zeigt in der Corona-Pandemie sein hässliches Gesicht, das System ist für viele Menschen tödlich.“

Konkret forderte Zieger eine Streichung sämtlicher Auslandsschulden der armen Staaten. Die hohe Schuldenlast erdrücke die Volkswirtschaften und mache es den Ländern unmöglich, in die Gesundheitssysteme zu investieren. „Robuste Gesundheitssysteme sind natürlich eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich gegen Pandemien und andere medizinische Herausforderungen anzugehen.“

Zudem verlangte Ziegler, dass die europäischen Staaten der Aussetzung des internationalen Patentschutzes für Impfstoffe und andere Medikamente gegen Covid-19 zustimmen müssten. „Jeder Tag des Widerstandes der Europäer gegen die temporäre Aufhebung des Patentschutzes kostet Leben“, unterstrich Ziegler.

Dutzende Länder des globalen Südens fordern die Welthandelsorganisation auf, den Patentschutz für Impfstoffe wie den der Mainzer Firma Biontech für eine bestimmte Zeit aufzuheben. Das würde den armen Staaten erlauben, eigene Impfstoffe gegen Covid-19 zu produzieren und somit die Bevölkerungen vor einer Infektion besser zu schützen.

Indien und Südafrika starteten im Oktober 2020 die Initiative zur Aussetzung des Patentschutzes. Die EU, Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und Japan sprechen sich jedoch gegen die Maßnahme aus. „Die Regierungen dieser reichen Länder schützen die Interessen der mächtigen Pharmaindustrie, und sie scheren sich nicht um das Schicksal der Menschen in den armen Regionen“, sagte Ziegler.

Weiter appellierte Ziegler an die reichen Staaten, das internationale Impfstoffprogramm Covax besser auszustatten. „Derzeit funktioniert Covax nicht so wie es sollte“, erklärte der Soziologe. „Die Europäer, die USA und andere wohlhabende Länder müssen dem Programm wesentlich mehr Impfdosen zur Verfügung stellen“, forderte er.

Die Weltgesundheitsorganisation und andere internationale Institutionen gründeten Covax im Jahr 2020. Das Programm kauft mit Spendengeldern Impfstoffe gegen Covid-19 und verteilt diese in der Regel kostenlos in armen Staaten. Allerdings konnte Covax seine selbst gesteckten Ziele für 2021 nicht erreichen.