Intensivmediziner Janssens: Bei Triage müssen Mediziner entscheiden

Intensivmediziner Janssens: Bei Triage müssen Mediziner entscheiden

Hamburg (epd). Der Intensivmediziner Uwe Janssens verweist nach der Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Grenzen juristischer Regelungen. Kein Gesetz der Welt könne das abbilden, was sich an einem Krankenbett abspielt, sagte der ehemalige Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin am Dienstag in den ARD-„Tagesthemen“. Dem Behandlungsteam müsse das Vertrauen ausgesprochen werden, dass es Befunde zusammenführt und daraus eine klinische Erfolgsaussicht ableitet.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag entschieden, dass Menschen mit Behinderung bei einer Knappheit an Betten und Personal auf Intensivstationen besonders geschützt werden müssen. Es beauftragte den Gesetzgeber, „unverzüglich“ Vorkehrungen für eine sogenannte Triage zu treffen, damit Menschen mit einer Behinderung bei einer Auswahl von Patienten nicht benachteiligt werden (AZ: 1 BvR 1541/20). Anlass des Rechtsstreits waren die zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 veröffentlichten „klinisch-ethischen Empfehlungen“ der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Der Zusammenschluss medizinischer Fachgesellschaften will mit seinen Leitlinien Ärzten Hilfestellung geben, nach welchen Kriterien sie Patienten für eine intensivmedizinische Behandlung bei zu wenig Klinikbetten auswählen können. Neun Beschwerdeführer mit einer Behinderung rügten vor Gericht, dass die Divi-Empfehlungen sie diskriminierten.

Janssens, der an der Erarbeitung der Empfehlungen beteiligt war, sagte in der ARD: „Wir hätten uns sehr gefreut, wenn das Bundesverfassungsgericht auch uns Ärztinnen und Ärzten mehr den Rücken gestärkt hätte.“ Allerdings sei er sehr dankbar, dass die Mediziner jetzt vielleicht die Gelegenheit bekämen, gemeinsam mit dem Gesetzgeber Richtlinien und Rahmenbedingungen für die Zukunft zu entwickeln, sagte der Mediziner, der an der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin in Eschweiler tätig ist. Die Behandlungsteams setzten sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen gleichbehandelt werden.