Berlin (epd). Amnesty International hat einen Vorwurf des Zentralrates der Juden zurückgewiesen, mit einer Brief-Aktion zugunsten einer palästinensischen Jugendlichen antisemitische Vorurteile zu schüren. Die Menschenrechtsorganisation sei sich des Risikos einer Instrumentalisierung der Arbeit zu Israel und den palästinensischen Gebieten bewusst, sagte Amnesty-Sprecher Hyun-Ho Cha am Mittwoch in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Organisation begegne dieser Gefahr „durch eine klare Abgrenzung von jeder Form von Antisemitismus“.
Im Begleitmaterial für den diesjährigen sogenannten Briefmarathon fänden sich daher entsprechende Informationen, um den Fall differenziert darstellen zu können, fügte der Sprecher hinzu. Der Schwerpunkt der diesjährigen Mitmach-Aktion liege auf jungen Menschen unter anderem aus der Ukraine, aus Belarus, Thailand und Mexiko. Ziel sei es, diese in ihrem friedlichen Einsatz für Menschenrechte zu bestärken.
Die international anerkannte Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) stelle überdies klar, dass Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar sei, nicht als antisemitisch betrachtet werden könne, fügte Cha hinzu.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte der Menschenrechtsorganisation vorgeworfen, mit dem Appell zur Unterstützung der Jugendlichen im Westjordanland Antisemitismus zu schüren. „Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht“, erklärte Schuster in Berlin. Amnesty wolle mit seinem „Briefmarathon“ offenbar zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage im Nahen Osten beitragen. „Leider bedient die aktuelle Aktion zum Westjordanland das antisemitische Narrativ, das Israel als alleinigen Täter darstellt“, beklagte Schuster.
Altersgerechte Erläuterungen über die Lage im Westjordanland, die den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern objektiv einordnen, fehlen dem Zentralratspräsidenten zufolge in dem Appell. Die Amnesty-Aktion könne daher dazu beitragen, israelbezogenen Antisemitismus zu verstärken, der ohnehin an vielen Schulen vorhanden sei. Schuster äußerte die Hoffnung, dass sich die Schulen ihrer Verantwortung bewusst seien und die Kampagne nicht an ihre Schüler herantragen oder sie kritisch hinterfragen.
Amnesty ruft im Internet dazu auf, sich mit Schreiben an das israelische Parlament zugunsten einer jugendlichen Palästinenserin an der Solidaritätsaktion zu beteiligen. Die Bürgerjournalistin werde wegen ihrer Berichte über Unterdrückung und Gewalt der israelischen Armee gegenüber der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland schikaniert. Sie erhalte Todesdrohungen, heißt es in der Amnesty-Erklärung zum Appell.
Die 15-jährige Janna Jihad sei eine bekannte palästinensische Aktivistin, die sich mit friedlichen Mitteln gegen die Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel einsetze, sagte der Amnesty-Sprecher. Sie zeige jungen Palästinenserinnen und Palästinensern auf, wie wirkmächtig friedlicher Widerstand sein könne. Damit ermutige sie diese, sich ebenfalls friedlicher Mittel zu bedienen.