Hannover (epd). Der hannoversche Infektiologe Matthias Stoll hält die von Bund und Ländern beschlossenen Beschränkungen für Ungeimpfte für richtig. Es sei „rational und fürsorglich“, Ungeimpfte als besonders gefährdete Gruppe vor Ansteckungen zu schützen, sagte Stoll am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die aktuelle vierte Infektionswelle könne nicht mehr ohne Kontaktbeschränkungen gebrochen werden, ergänzte der Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Auch die von Bund und Ländern geplante Beschleunigung der Impfungen sei „eine hervorragende Idee“. Allerdings korrigieren die Verantwortlichen Stoll zufolge damit lediglich vorherige Fehler, etwa die zwischenzeitliche Schließung der Impfzentren und die Kontingentierung von Impfstoffen. Diese Maßnahmen hätten den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission jeweils klar widersprochen. Der Infektiologe begrüßte auch die geplante Reduzierung von Teilnehmerzahlen bei Großveranstaltungen und die Schließung von Bars und Clubs bei Inzidenzen über 350. Besonders große Infektionsrisiken würden damit vermieden.
Die geplante Ausweitung der 2G- und 2G-plus-Regel im Handel sei notwendig und belaste ungeimpfte Menschen richtigerweise mehr als geimpfte, fügte Stoll hinzu. Gleichwohl seien viele Testergebnisse ungenau. „Also treiben wir den höchsten Aufwand für den krummsten Pfeil im Köcher der Maßnahmen.“ Zudem zerstöre die noch fehlende Infrastruktur für Bürgertests Vertrauen in Politik und Verwaltung. Stoll empfahl, formale Hürden an die Erlaubnis zum Testen abzubauen. Beispielsweise sei er als Arzt zwar einschlägig vorgebildet, könne aber keine Testergebnisse bescheinigen, weil er kein Betriebsarzt sei und als Krankenhausarzt kein Gewerbe beantragen könne.
Stoll begrüßte zudem, dass der Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht abstimmen soll. „Die Impfung ist mit sehr großem Abstand die beste Präventionsoption.“ Medizinisch begründete Ausnahmen müssten möglich bleiben, aber überprüfbar sein. Eine allgemeine Impfpflicht wirkt laut Stoll auch einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung entgegen, weil sie keine einzelnen Berufsgruppen diskriminiere. Dagegen setze eine berufsbezogene Impfpflicht etwa für medizinische Berufe „das vollkommen falsche Signal, dass Arztpraxen oder Krankenhäuser die Motoren der Pandemie sind.“