Washington (epd). Das Oberste Gericht in den USA hat sich am Mittwoch mit der Rechtmäßigkeit eines strikten Anti-Abtreibungsgesetzes im US-Staat Mississippi befasst. Das Verfahren gilt als historisch. Gegner und Befürworter des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch hoffen beziehungsweise befürchten, dass die konservative Mehrheit der neun Richterinnen und Richter den Fall zum Anlass nimmt, ein Grundsatzurteil von 1973 aufzuheben. Damals waren mit sieben zu zwei Stimmen Abtreibungen bis zur unabhängigen Lebensfähigkeit des Fötus nach etwa 22 bis 24 Wochen legalisiert worden.
Das Gesetz in Mississippi sieht ein Verbot von Abtreibungen bereits nach der 15. Schwangerschaftswoche vor. Es solle die „Gesundheit der Mutter und die Würde des ungeborenen Kindes schützen“, hieß es in dem Antrag des Staates an das Oberste Gericht. Das Urteil „Roe v. Wade“ von 1973 sei eine „prinzipienlose Entscheidung“ gewesen, die den „demokratischen Prozess beschädigt“ habe.
Gegen das Gesetz hat sich vor Gericht die in Mississippi ansässige Frauenklinik Jackson Women's Health Organization ausgesprochen, die einzige Abtreibungsklinik in dem konservativen Staat im Süden der USA. Das Oberste Gericht müsse an seinen Urteilen festhalten, wenn es wie in diesem Fall keine neuen „faktischen oder juristischen Grundlagen“ zum Revidieren gebe, betonte die Klinik.
Sollte das Gericht das Gesetz zulassen, könnten weitere Staaten Schwangerschaftsabbrüche einschränken. Der Fall biete die „beste Chance in einer Generation“, das Urteil von 1973 aufzuheben, erklärte ein Sprecher der Ethikkommission des konservativen Südlichen Baptistenverbandes. Die Präsidentin des Verbandes „Zentrum für Reproduktionsrechte“, Nancy Northup, warnte im Fernsehsender NBC, beinahe die Hälfte der 50 US-Staaten würden Abtreibung „weitgehend begrenzen oder vielleicht ganz verbieten“.
Abtreibung ist in den USA seit Jahrzehnten ein heikles Thema. Die Demokratische Partei befürwortet eine Legalisierung, die Republikaner sind dagegen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat zwei konservative Richter und eine konservative Richterin am Supreme Court ernannt, die bei dem Konflikt um das Mississippi-Gesetz den Ausschlag geben könnten. Richterin Sonia Sotomayor warnte in der knapp zweistündigen Anhörung am Mittwoch, das Gericht riskiere seine Glaubwürdigkeit durch diese Politisierung. Richter Samuel Alito betonte, man müsse das „Interesse des Fötus am Leben“ in Betracht ziehen.
Die katholischen Bischöfe und der Nationale Verband der Evangelikalen haben sich für das Mississippi-Gesetz ausgesprochen. Das Oberste Gericht berät gegenwärtig zudem über ein Gesetz im US-Staat Texas, Abtreibungen bereits nach der sechsten Schwangerschaftswoche unter Strafe zu stellen. Termine für die Urteile in beiden Fällen stehen nicht fest.