Düsseldorf (epd). Angesichts stark steigender Corona-Fallzahlen hat der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, vor einer dramatischen Zuspitzung in den Kliniken gewarnt: „Wir alle bereiten uns auf eine Triage vor“, sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Freitag, Print Samstag). Die Ärzte versuchten alles, um diese letzte entsetzliche Entscheidung abzuwenden. „Aber angesichts der steigenden Infektionszahlen müssen sich die Kliniken vorbereiten“, so der Mediziner.
Bei der Triage in der Intensivmedizin werden Patienten oder Patientinnen nach Dringlichkeit und Schwere der Erkrankung oder Verletzung sortiert. In der Notfallmedizin werden normalerweise diejenigen Patienten als erste versorgt, die am dringendsten Hilfe benötigen und am schwersten verletzt oder erkrankt sind. In der Katastrophenmedizin kommt es zu einer anderen Prioritätensetzung: Dann wird jener Patient als erstes versorgt, dessen Überlebenschancen höher eingeschätzt werden.
Montgomery sagte, bereits im vergangenen Herbst hätten die medizinischen Fachgesellschaften und die Bundesärztekammer grundsätzliche Empfehlungen für Triage-Entscheidungen ausgesprochen, um den betroffenen Ärzten im Notfall die Entscheidung zu erleichtern, welcher Patient den Vorzug bekommt, wenn die Intensivkapazitäten nicht mehr für alle reichten. Um die Kliniken zu entlasten, forderte Montgomery, Patienten auch in andere europäische Länder zu verlegen: „Die systematische Verlegung von Covid-Patienten ins Ausland muss jetzt eingeleitet werden. Dabei muss auch die Bundeswehr helfen.“ In der ersten Pandemie-Welle habe Deutschland anderen Ländern Hilfe geleistet. Jetzt würden andere Länder mit besseren Kapazitäten den Deutschen Hilfe leisten. „Das ist nicht ungewöhnlich.“
Das RKI meldete am Freitag 76.414 Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages bezogen auf 100.000 Einwohner angibt, lag im bundesweiten Schnitt bei 438,2. Die Hospitalisierungsinzidenz beträgt deutschlandweit derzeit 5,79. Der Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche mit Covid-19 in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Dieser Inzidenzwert ist entscheidend für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den jeweiligen Bundesländern. Die Zahl der ins Krankenhaus eingelieferten Covid-19-Patienten wird jedoch teils mit deutlichen Verzug gemeldet. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass die tatsächliche Hospitalisierungsinzidenz höher liegt, als der aus den Meldungen gespeiste offizielle Wert nahelegt.
Aktuell sind laut Daten des RKI insgesamt 68,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Covid-19 geimpft, 70,8 Prozent mindestens einmal.