Berlin (epd). Der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) kritisiert eine zunehmende globale Gerechtigkeitslücke beim Impfen in der Corona-Pandemie und fordert die künftige Bundesregierung zum Handeln auf. Während 80 Prozent der bisher weltweit genutzten Impfdosen von reichen Ländern aufgekauft worden seien, gelangten nur rund zwei Prozent in ärmere Länder, sagte die Vize-Vorstandsvorsitzende Maike Röttger am Donnerstag in Berlin. Der Verband fordert, dass Deutschland sich stark macht für einen gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen für alle Menschen. Diesem Ziel werde der Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen nicht gerecht.
In dem am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag der sogenannten Ampel wird die Unterstützung des globalen COVID-19-Impfprogramms Covax betont, über das ärmere Länder mit Vakzinen versorgt werden sollen. Die künftige Regierung will das Programm demnach finanziell sowie durch die schnelle Lieferung von Impfstoffen stärken. Weiter heißt es: „Wir unterstützen freiwillige Produktionspartnerschaften und den Transfer von Know-how, um die Produktionskapazitäten für Medikamente und Impfstoffe weltweit auszubauen.“
Mareike Haase, Referentin für internationale Gesundheitspolitik beim evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“, bezeichnete diese von den Koalitionären vereinbarte Freiwilligkeit als „katastrophal“. Sie sagte, dass zum Beispiel Pfizer und Biontech sowie Moderna ihre Verträge mit der Afrikanischen Union (AU) nicht erfüllten. Von den vereinbarten Dosen sei noch nichts angekommen. Auch von den von Deutschland für dieses Jahr zugesagten rund 100 Millionen Impfstoffdosen an Covax seien gerade einmal ungefähr 20 Millionen in den ärmeren Ländern angekommen. Gleichzeitig würden in reichen Ländern Impfdosen vernichtet.
Venro fordert unter anderem eine vorübergehende Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte auf Impfstoffe und darüber hinaus auf alle medizinischen Technologien, die zur Eindämmung der Pandemie nötig sind. Zudem sei eine Weitergabe von Impfdosen an Länder mit niedrigem Einkommen dringend nötig. Dem Bundesverband Venro gehören rund 140 private und kirchliche Organisationen in Deutschland an, die in der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe oder der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit tätig sind.