In der Debatte um den Umgang mit mittelalterlichen antijüdischen Darstellungen und Schmähplastiken an und in Kirchen wirbt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, für einen Austausch zwischen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft. „Es gibt in der Debatte kein richtig oder falsch“, sagte Klein bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag in Berlin: „Ein Fehler macht nur, wer sich dem nicht stellt.“
Klein plädierte dafür, über die Entfernung oder Nichtentfernung der beleidigenden, schmähenden Skulpturen nicht die Gerichte entscheiden zu lassen, sondern eine Lösung im Austausch zwischen den beiden Religionen zu finden. Die Reliefs und Darstellungen dokumentierten in ihrer „verstörenden, profanen Vulgarität“, wie Juden durch die Brille der christlichen Theologie und Gesellschaft gesehen wurden. Dieser Kulturgeschichte müssten sich die Kirchen bewusst sein. „Dann haben sie die Chance, zu verhindern, dass sich das Gleiche wiederholt“, sagte Klein.
Der Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, forderte von den Kirchen mehr Selbstreflexion. Diese öffne den Weg zu Veränderung. Laut Staffa gehört dazu, eine andere Bildsprache zu entwickeln, beispielsweise den Jünger Judas Jesus aus Liebe küssen zu lassen und nicht als Zeichen des Verrats (Judaskuss) oder in der Abendmahlsformel die Formulierung „in der Nacht, als er verraten wurde“ abzuschaffen.
Doron Kiesel vom Zentralrat der Juden in Deutschland sprach sich gegen ein generelles Entfernen der umstrittenen Plastiken aus. „Abnehmen ist eine Form des Wegschauens“, sagte Kiesel. Die jüdische Gemeinschaft sollte sich auch nicht in die Kirchengemeinden einmischen. Allerdings sollte ein Prozess der Auseinandersetzung durch einen interreligiösen Dialog angeregt werden, sagte Kiesel.
Die Erinnerungsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Marion Gardei, betonte die Wichtigkeit von entsprechenden Strukturen innerhalb der Kirche. Die Landeskirche erarbeite deshalb ein Gesetz für den Umgang mit antisemitischen Schmähplastiken, um die betroffenen Gemeinden bei der Aufarbeitung nicht allein zu lassen. Dort, wo solche Reliefs noch sichtbar im Kirchenraum hingen, sollten laut Gardei zunächst keine liturgischen Handlungen mehr vorgenommen und Gottesdienste gefeiert werden. „Das ist für mich eine rote Linie“, sagte Gardei.