Bremen (epd). Die evangelische Kirche hat Betroffenen von Missbrauch eine bessere Beteiligung bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zugesagt. Bei der weitgehend digital tagenden Synode reagierten Verantwortliche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf Kritik von Betroffenen, die mangelnden Respekt ihnen gegenüber beklagten. Betroffenenbeteiligung dürfe kein Feigenblatt sein, sagte der Betroffene Detlev Zander am Montag vor den 128 Delegierten. Das Problem derzeit sei, dass die Kirche die Deutungshoheit bei dem Thema für sich in Anspruch nehme, sagte Henning Stein, dessen Sohn Opfer von Missbrauch wurde.
Augenhöhe bedeute aber, dass Betroffene in den sie betreffenden Angelegenheiten für eine Kontrolle der Kirche sorgen, forderten mehrere Betroffene in einer vor der Synode vorgetragenen gemeinsamen Stellungnahme. Insgesamt acht solcher Stellungnahmen hörten die Synodalen am Montagnachmittag. Sie waren teils eine schonungslose Abrechnung mit den bisherigen Bemühungen um eine Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.
Vorgetragen wurde die Kritik von früheren Mitgliedern des Betroffenenbeirats, der die Aufarbeitungsbemühungen kritisch begleiten sollte, im Frühjahr aber ausgesetzt worden war. Die EKD nennt dafür Auseinandersetzungen im Gremium als Grund. Die Betroffenen empfinden den Schritt indes als „einseitige Machtausübung“. Die Aussprache bei der Synode war teils sehr emotional. „Es tut mir sehr leid“, bat die sichtlich bewegte Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs die Betroffenen um Entschuldigung.
Dass es mit der Betroffenenbeteiligung weitergeht, wurde von Kirchenverantwortlichen am Montag erneut versprochen. Wie sie konkret aussehen soll, blieb aber offen. Der Sprecher des Beauftragtenrats der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, Christoph Meyns, will erst eine extern beauftragte Untersuchung abwarten. Die Synode, das Kirchenparlament der EKD, will derweil eine eigene Betroffenenbeteiligung schaffen. Präses Anna-Nicole Heinrich sprach sich dafür aus, das Thema künftig bei jeder Jahrestagung zu behandeln und sich dafür selbst mit Betroffenen zu vernetzen.
Der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, begrüßte die Ankündigung. Dies biete die Chance zu stärkerer inhaltlicher Befassung, Transparenz und einer breiteren Beteiligung für Synode, Betroffene und externe Experten. Rörig sieht dennoch auch den Rat der EKD als Leitungsgremium weiter in der Pflicht. „Spannend wird jetzt sein, welche Signale der neue EKD-Rat und der neue EKD-Vorsitz senden werden“, sagte er dem epd. Beides wird bis Mittwoch bei der Synode gewählt.
Derweil deutet sich in der evangelischen Kirche auch eine Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts an, das unabhängig von staatlichen Gerichten Sanktionen gegen kirchliches Personal bei Fehlverhalten vorsieht. Die Betroffene Christiane Lange schilderte vor der Synode die derzeitigen Probleme mit der Regelung. In kirchenrechtlichen Verfahren klage die Kirche gegen den Täter. Der werde für das bestraft, was er der Kirche angetan habe. „Der Missbrauch zählt kaum“, sagte Lange. Und das habe auch für sie als Opfer gegolten: „Ich wurde nicht informiert, wusste nie, ob ich nochmals aussagen müsste, wo das Verfahren stand und hatte keinerlei Einfluss oder Rederecht in den Verhandlungen.“ Sie forderte mehr Transparenz für die Opfer und die Möglichkeit einer Nebenklage.
Das Problem räumen auch Verantwortliche der Kirche ein. Der braunschweigische Landesbischof Meyns sprach sich in seinem Bericht für eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahmen in Fällen sexualisierter Gewalt aus. Zudem müsse die Information und Begleitung Betroffener vor, während und nach diesen Verfahren stärker verankert werden. Aus der Synode, die über Kirchengesetze entscheidet, kam ebenfalls Zustimmung. Das Prinzip müsse sein „null Toleranz für Täter, maximale Transparenz für Oper“, sagte Präses Heinrich.