Der angehende Diakon Siegfried G. habe damals sie und andere Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren mehrfach bei Versteckspielen im Dunkeln angefasst, berichtete Pia G. dem Evangelischen Pressedienst. "Er war meistens der Fänger, und wir haben zugesehen, dass er uns nicht zu nahe kommt."
Pia G. hatte sich bei der hannoverschen Landeskirche gemeldet, nachdem die ebenfalls betroffene Lisa Meyer Anfang Oktober bei einer Pressekonferenz ihren Fall öffentlich gemacht hatte. Die Landeskirche hatte dies in der vergangenen Woche bestätigt. Meyer, die ein Pseudonym verwendet, war nach eigenen Worten mehrfach und zum Teil schwer von Siegfried G. missbraucht worden. Sie hatte der Landeskirche Versäumnisse und Vertuschung vorgeworfen. Sie berichtete ebenfalls von diesen Versteckspielen.
Pia G. sagte, sie leide bis heute an den Auswirkungen dieser und weiterer Übergriffe. Siegfried G. habe sie als Zwölfjährige einmal während einer Jugendstunde alleine im Treppenhaus des Gemeindehauses abgepasst. Er habe sie umarmt, ihr an den Po und an die Brust gefasst. Sie habe sich jedoch gewehrt und schließlich seinen Armen entwinden können.
Mit gutem Zeugnis entlassen
Auch den schweren sexuellen Missbrauch während einer Gemeindefreizeit in Österreich, den Lisa Meyer nach eigener Schilderung erlitten hatte, bestätigte Pia G. Sie sei damals ebenfalls Teilnehmerin der Freizeit gewesen und habe schon damals von dem Vorfall erfahren. Auch die Tatsache, dass andere Erwachsene ihr und den anderen Mädchen damals nicht geholfen und dem Täter Einhalt geboten hätten, belaste und empöre sie noch heute: "Stattdessen hat man ihm sogar den Weg geebnet, dass er es weiter tun konnte."
Siegfried G. war den Akten zufolge, die 2020 gefunden wurden, zwar 1977 aufgrund weiterer Vorwürfe entlassen worden, ihm war aber ein gutes Zeugnis ausgestellt worden. Er war später noch ehrenamtlich in einem Sportverein tätig.
Versuch, "den Deckel draufzuhalten"
Pia G. betonte, sie wende sich nach Jahrzehnten des Schweigens an die Öffentlichkeit, weil sie Lisa Meyer in ihrem Bemühen um restlose Aufklärung unterstützen wolle: "Sie soll nicht weiter alleine kämpfen müssen." Sie empfinde es als skandalös, dass auch 2010, als Meyer erstmals der Landeskirche von den Missbrauchsfällen berichtet habe, noch versucht worden sei, "den Deckel draufzuhalten", sagte G.
Der Justiziar der Landeskirche, Rainer Mainusch, und der damalige Landessuperintendent Burghard Krause hatten Lisa Meyer 2010 zwar Hilfen angeboten, aber weder die Kirchengemeinde noch die Staatsanwaltschaft unterrichtet. Der Täter lebte damals noch und starb Mitte 2018. "Dass dieser Mann ungeschoren gestorben ist, hinterlässt bei mir ein Gefühl von Unglaublichkeit", sagte G. Während der Pressekonferenz hatte Mainusch Fehler eingeräumt und sich entschuldigt. Er verwies jedoch darauf, dass der Täter 2010 arbeits- und strafrechtlich nicht mehr hätte belangt werden können.