Berlin (epd). Der Deutsche Hausärzteverband hat Äußerungen des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu Corona-Auffrischimpfungen scharf kritisiert. „Die aktuelle 'Freibier-Stimmung' überrascht mich doch sehr“, sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt der Zeitung „Welt“ (Dienstag) „Alle Impfzentren aufmachen, Booster-Impfungen ohne Altersbeschränkung - wissenschaftliche und medizinische Kenntnisse und die Erfahrungen der vergangenen Monate werden dabei vom Tisch gewischt.“ Spahn hatte angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen angeregt, die Impfzentren wieder zu öffnen.
Er sehe keinen Grund, warum die Arztpraxen, die „schließlich den Impfturbo gezündet haben, die Booster-Impfungen nicht leisten können sollten - wenn ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden“, sagte Weigeldt. Das Problem seien derzeit nicht fehlende Impfzentren, sondern eine geringe Impfbereitschaft: „Zögerliche, Verunsicherte und insbesondere Impfgegner spazieren allerdings sicherlich nicht ins Impfzentrum.“ In den Praxen könne man diese Menschen erreichen, wenn sie wegen anderer gesundheitlicher Probleme einen Termin vereinbaren, erklärte der Hausärzte-Verbandschef.
Spahn hatte der „Rheinischen Post“ (Montag) gesagt: „Um möglichst vielen möglichst schnell eine Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, sollten die Länder die Impfzentren, die sie seit Ende September in Stand-By bereithalten, nun wieder startbereit machen.“ Ärztepräsident Klaus Reinhardt stellte sich hinter den Vorstoß, in den Bundesländern stieß dieser hingegen auf Skepsis.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt allen Menschen ab 70 Jahren eine Corona-Auffrischungsimpfung, sobald die letzte länger als sechs Monate her ist, sowie für alle, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden. Die Gesundheitsminister halten Auffrischungsimpfungen darüber hinaus auch schon für alle Über-60-Jährigen für sinnvoll. Ende der Woche kommen die Ressortchefs und -chefinnen der Länder und Spahn erneut zu einer Konferenz in Lindau zusammen. Dort soll es laut Spahns Ministerium um das Offenhalten der Impfzentren sowie das Einladungsmanagement für die sogenannten Booster-Impfungen gehen.
Die Impfzentren sollten zum Beginn der Corona-Impfungen den ordnungsgemäßen Gebrauch des Impfstoffs sowie die Priorisierung bei der Vergabe der damals noch knappen Dosen sicherstellen. Mit der Einbeziehung der Arztpraxen in die Corona-Impfungen verloren sie an Bedeutung.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Das sind 55,5 Millionen Menschen. Von den 24,1 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, sind den Angaben zufolge gut 85 Prozent vollständig geimpft. Zwei Millionen Menschen haben dieser Statistik zufolge bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten.