Berlin (epd). Eine wachsende Zahl von Flüchtlingen hat Erfolg mit einer Klage gegen die Ablehnung ihres Asylantrags. Im ersten Halbjahr 2021 endeten 35,1 Prozent aller Klagen vor den Verwaltungsgerichten, über die inhaltlich entschieden wurde, zugunsten der Flüchtlinge, wie aus einer vom Bundestag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, über die zuerst die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) berichtet hatte. Das ist nach Angaben der Linken ein höherer Anteil als im Vorjahr, als die Quote bei 31 Prozent lag. Insbesondere Afghanen wird von Gerichten oft ein Schutzstatus zugesprochen, der zuvor vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verneint wurde.
Den Angaben des Bundesinnenministeriums zufolge hätten die Gerichte von Januar bis Ende Juni 10.176 von 29.025 insgesamt inhaltlich überprüften Bescheiden für rechtswidrig erklärt. Bei Afghanen ist demnach die Fehlerquote des Bundesamtes besonders hoch. In 75 Prozent der Fälle wurde den Schutzsuchenden aus dem Land, in dem inzwischen wieder die Taliban herrschen, Recht gegeben. Die Statistik enthält sowohl Verfahren gegen einen ablehnenden Bescheid als auch sogenannte Aufstockungsklagen, bei denen die Kläger eine Aufwertung ihres Status anstrebten, etwa um Familienangehörige nachholen zu können.
Fast 5.000 zunächst abgelehnte Flüchtlinge aus Afghanistan erhielten den Angaben zufolge allein im ersten Halbjahr 2021 doch noch einen Schutzstatus. Bei mehr als 4.000 der Schutzsuchenden erfolgte dies aufgrund von Gerichtsentscheidungen, bei den anderen im Rahmen sogenannter Abhilfeentscheidungen.
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan plant das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach Auskunft des Innenministeriums keine pauschalen Überprüfungen der abgelehnten Asylbescheide von Afghanen. Anträge würden zudem auch weiter individuell geprüft, hieß es. Zum 31. August waren im Ausländerzentralregister fast 30.000 in Deutschland lebende Afghanen als „ausreisepflichtig“ festgehalten, mehr als 27.000 von ihnen hatten aber eine Duldung.
Die Linksfraktion beklagte einen „unzulässigen politischen Druck“ auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die inzwischen aus dem Bundestag ausgeschiedene Linkenpolitikerin Ulla Jelpke sagte, der Verweis des Bundesamtes auf angeblich sichere Gebiete in Afghanistan habe politischen Vorgaben entsprochen, aber nicht den realen Gegebenheiten vor Ort. Das Bundesamt solle deshalb alle beklagten Afghanistan-Bescheide von sich aus noch einmal überprüfen und den gebotenen Schutz gewähren, auch um die Gerichte zu entlasten.
Die Zahl anhängiger Asyl-Verfahren bei deutschen Gerichten ist hoch. Ende Juni waren es nach Angaben des Innenministeriums 167.449. Besonders viele anhängige Klagen verzeichneten die Verwaltungsgerichte in Berlin (12.647), München (10.586) und Köln (7.011). Beim Bundesverwaltungsgericht sind demnach 47 Grundsatzentscheidungen anhängig.