Berlin (epd). Die heutige Vielfalt der Glaubenslandschaft in Deutschland ist nach Ansicht des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) eine große Herausforderung für die künftige Koalition im Bund. Man sehe einen „Aderlass der Kirchen“, sagte Kretschmann mit Blick auf die sinkende Mitgliederzahl der Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“ (Novemberausgabe). Auf der anderen Seite pluralisiere sich das Feld. „Das zusammenzuhalten ist sehr schwierig“, sagte der Regierungschef, der selbst bekennender Katholik ist.
Kretschmann sagte, der Islam sei in Deutschland „nicht wirklich integriert“ und müsse sich an manchen Stellen reformieren. Dabei verwies er auf die Trennung von Staat und Kirche, ohne die Glaubens- und Religionsfreiheit nicht existiere. „Einzusehen, dass die Ordnung der politischen Angelegenheiten Menschenwerk ist und nicht von Gott gemacht wird, war ein epochaler Fortschritt“, sagte er. Es bedeute, dass man selbst verantwortlich sei und nicht „hinter dem lieben Gott verstecken“ könne. „Im Islam gibt es dieses Denken überhaupt nicht - und das ist eines seiner großen Probleme“, sagte der Grünen-Politiker.
In einer möglichen Koalition von SPD, Grünen und FDP rechnet Kretschmann nicht mit Änderungen bei der Kirchensteuer. Der Staat ziehe sie ein und die Kirchen müssten dafür nicht wenig bezahlen. „Das ist eine Dienstleistung des Staates - und die wird auch bleiben“, betonte Kretschmann. Man habe wirklich andere Probleme, „als uns an solchen Fragen abzuarbeiten“. Die Abschaffung der Kirchensteuer war auch in keinem Wahlprogramm der drei Parteien ein Thema. Reformen forderten sie darin aber in anderen Bereichen, darunter im kirchlichen Arbeitsrecht.
„Die Gesellschaft entwickelt sich weiter und die Kirchen verlieren an prägender Kraft, das kann Änderungen herbeiführen“, sagte Kretschmann und verwies dabei selbst auf den Sonntagsschutz. Der habe allerdings Verfassungsrang, erklärte er. „Er ist ein Geschenk der Gläubigen an die ganze Gesellschaft, dass alle zur Ruhe kommen können“, sagte er.