Berlin (epd). Die Diskussion über ein baldiges Ende des Corona-Ausnahmezustandes dauert an. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhielt für seinen Vorschlag, die sogenannte epidemische Lage zur Eindämmung des Coronavirus Ende November auslaufen zu lassen, Zustimmung, erntete aber auch Kritik. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach sich für ein Ende der epidemischen Lage aus und rechtfertigte umfangreiche Lockerungen in seinem Bundesland. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach widersprach Spahn.
„Ich begrüße den Vorstoß des Gesundheitsministers. Die Pandemie ist zwar nicht vorbei, aber sie hat durch die Impfungen ihren Schrecken verloren. Dem müssen wir Rechnung tragen“, sagte Hans der Zeitung „Bild am Sonntag“. Die Bundesländer müssten auch nach dem Ende der epidemischen Lage die Möglichkeit haben, Maßnahmen zu beschließen. Bundesländer mit einer hohen Impfquote müssen sich ihre Freiheiten zurückerobern können, sagte Hans. Die saarländische Landesregierung hebt ab Freitag (29. Oktober) für Veranstaltungen im Freien coronabedingte Beschränkungen und die 3G-Regelung auf.
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag): „Wir können nicht einfach die epidemische Lage ohne Ersatzregelung beenden.“ Er verwies auch darauf, dass das Auslaufen der Corona-Notlage vom Bundestag beschlossen werden müsse. Sollte die Feststellung der epidemischen Notlage tatsächlich auslaufen, „müssten wir eine Ersatzregelung finden, die uns eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen gibt, um das Wiedererstarken der Pandemie zu verhindern“, forderte Lauterbach. Es müsste sichergestellt werden, dass die 2G- oder 3G-Regeln in Innenräumen weiter praktiziert werden könnten und Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr bestehe.
Gesundheitsminister Spahn sagte am Sonntag im Deutschlandfunk: „Wir können aus dem Ausnahmezustand raus.“ Gleichbedeutend mit einem Normalzustand sei dies aber nicht. Man brauche weiterhin einen Zustand besonderer Vorsicht sowie 3G-Regelungen in Innenräumen oder die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen. Dies könne aber auch ohne den Ausnahmezustand der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geregelt werden. Dafür müsse entweder die bundesgesetzliche Regelungskompetenz geändert werden oder die Landtage müssten entsprechende Befugnisse auf Landesebene beschließen, erklärte der CDU-Politiker.
Der Gesundheitsminister hatte sich Anfang vergangener Woche dafür ausgesprochen, die sogenannte epidemische Lage zur Eindämmung des Coronavirus Ende November auslaufen zu lassen. Die Bundesländer sprachen sich am Freitag jedoch gegen ein Ende des Pandemie-Ausnahmezustands schon Ende November aus. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ gilt seit März 2020 und wurde zuletzt bis zum 24. November verlängert. Die Feststellung der sogenannten epidemischen Lage war in der Corona-Pandemie die Voraussetzung für die Maßnahmen zur Eindämmung einer Verbreitung des Virus.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warb dafür, bevorstehende Weichenstellungen in der Corona-Pandemie mit möglichst großer Mehrheit im Bundestag zu beschließen. „In dieser Übergangszeit nach der Wahl werden wir im Parlament nach Mehrheiten suchen, die größer sind als die aktuelle Regierung“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Angesichts drastisch steigender Infektionszahlen rief Klingbeil weiterhin zur Vorsicht auf.
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen unterstützt Spahns Pläne für ein baldiges Ende des Ausnahmezustands. Dessen Ankündigung, die epidemische Lage nationaler Tragweite auslaufen zu lassen, sei „letztlich folgerichtig“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag). Das bedeute aber nicht das sofortige Ende aller Maßnahmen.