Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich alarmiert über die steigende Zahl von Migranten aus Belarus geäußert und plädiert für ein konsequentes Auftreten an der polnischen EU-Außengrenze. Er unterstütze die polnische Regierung bei der Abwehr der irregulären Migration, sagte Seehofer am Mittwoch in Berlin. Aus Belarus finde eine „staatlich organisierte, zumindest unterstützte Schleusertätigkeit statt“, sagte Seehofer. Dieses Vorgehen könne man „unter keinen Umständen billigen“. Dabei schloss er auch Zurückweisungen von Asylsuchenden nicht aus. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl protestierte.
Seit August kommen vermehrt Flüchtlinge und Migranten in Deutschland an, die über Belarus in die EU gelangten. Die EU wirft dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor, die Menschen absichtlich in sein Land zu holen und weiterzuschicken, um die EU unter Druck zu setzen. Belarus lässt derzeit Menschen aus vielen anderen Ländern ohne Visum ins Land. Seehofer zufolge können inzwischen auch Menschen aus Iran, Pakistan, Südafrika und Jordanien visumsfrei nach Belarus einreisen. Vom Irak gebe es derweil die Zusage, bis Ende des Jahres keine Menschen mehr nach Belarus fliegen zu lassen, berichtete Seehofer.
Die EU will dem Vorgehen Lukaschenkos vor allem außenpolitisch begegnen. Im Gespräch sind etwa weitere Sanktionen. Innenpolitisch richtet sich in Deutschland der Blick auf die deutsch-polnische Grenze. Laut Bundespolizei kamen bislang 5.665 Menschen aus Belarus über Polen nach Deutschland, davon allein in diesem Monat 3.262.
Seehofer zufolge sind zur Kontrolle der Migrationsbewegungen an der deutsch-polnischen Grenze gemeinsame Grenzbegehungen mit Beamten des Nachbarlandes geplant. Eine Grenzschließung soll es nicht geben. Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze schloss Seehofer aus. Es gehe bei den Patrouillen darum, die Menschen zu identifizieren, sagte er.
Dass Seehofer Zurückweisungen Schutzsuchender an der EU-Außengrenze zu Belarus nicht ausschließt, stößt bei Pro Asyl auf heftige Kritik. Die Abwehr, von der Seehofer spreche, setze die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention außer Kraft, erklärte der Leiter der Europa-Abteilung der Organisation, Karl Kopp. Danach dürfen Staaten Menschen nicht abweisen, die um Schutz nachsuchen, sondern müssen ihnen ein Asylverfahren gewähren. Das Abdrängung oder das Zurückschicken Asylsuchender - sogenannte Push-Backs - wurden zuletzt auch von Menschenrechtlern an den EU-Außengrenzen in Griechenland und Kroatien beklagt.
Einen Vergleich der derzeitigen Situation mit der Fluchtbewegung in den Jahren 2015 und 2016 wies Seehofer mit Verweis auf die Höhe der Zahlen zurück. Damals kamen Hunderttausende nach Deutschland. Bis Ende September dieses Jahres seien dagegen rund 80.000 Asylanträge von Menschen eingegangen, die neu nach Deutschland gekommen sind. Insgesamt gab es bis Ende September rund 100.000 Asyl-Erstanträge, rund 20.000 davon wurden aber gestellt für Kinder von Menschen mit einem Flüchtlingsstatus, die bereits in Deutschland geboren wurden.