Wetzlar (epd). Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse (77) verurteilt den Begriff „Corona-Diktatur“ als Kritik für die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Ausbreitung von Covid-19. „Was soll denn das für eine Diktatur sein? Wer in der DDR öffentlich auf der Straße von einer SED-Diktatur gesprochen hätte, wäre festgenommen worden oder hätte seine Arbeitsstelle verloren“, sagte der langjährige Präsident und Vizepräsident des Deutschen Bundestages dem christlichen Medienmagazin „Pro“ (Ausgabe 5|2021).
Thierse sieht zudem dramatische Veränderungen in Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft. Diese führten bei vielen Menschen für Unsicherheit und Ängste und weckten zugleich ein Bedürfnis nach einfachen Antworten. „Es schlägt die Stunde der Populisten, der großen Vereinfacher und Schuldzuweiser“, warnte er. „Und andererseits macht es die Arbeit der Politiker viel schwieriger. Statt Heilsversprechen abzugeben, müssen sie zugeben, dass all diese dramatischen Veränderungen eben nicht ganz einfach von heute auf morgen zu lösen sind“, sagte Thierse.
Von den Kirchen wünscht sich Thierse, dass diese ein „Ort der Begegnung sind, wo die Menschen die Chance haben, Wahrheit zu finden“. Kirchen sollten verhindern, „dass Menschen in Scheinwelten abtauchen“, so das frühere Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK): „Der christliche Glaube ist auch immer eine Einweisung in die Wirklichkeit. Und die Kirche ist ein politischer Ort im besten Sinne: Politik heißt, immer neu den Versuch zu machen, gemeinschaftliche Angelegenheiten gemeinsam zu regeln und darüber zu debattieren, damit ein gutes Zusammenleben gelingen kann.“