Steinmeier: Wir brauchen eine starke Bundeswehr

Steinmeier: Wir brauchen eine starke Bundeswehr
Nach 20 Jahren ist der Afghanistan-Einsatz deutscher Streitkräfte beendet. Mit einem Großen Zapfenstreich werden die Soldatinnen und Soldaten gewürdigt. Steinmeier weist in seiner Rede auf instabile Zeiten hin und fordert eine starke Bundeswehr.

Berlin (epd). Nach dem Ende des 20-jährigen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan steht Deutschland laut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier außen- und sicherheitspolitisch an einer „Wegscheide“. Beim Zentralen Abschlussappell zur Würdigung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr sagte er am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die Rückeroberung des Landes durch die Taliban: „Der Fall von Kabul war eine Zäsur.“ Deutschland sei gezwungen, „über unsere Verantwortung in der Welt, unsere Möglichkeiten und deren Grenzen neu und selbstkritisch nachzudenken“.

Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik müsse ehrlicher, klüger und stärker werden. Deutschland müsse lernen, seine eigene Kraft zu erfassen und zu nutzen - und zugleich ihre Grenzen zu kennen. In diesen „instabilen Zeiten“ investiere Deutschland mehr in seine Verteidigung. „Und das ist richtig so“, betonte der Bundespräsident. Die Bundeswehr brauche gute Ausrüstung und funktionierende Strukturen, weil das Land eine funktionierende Bundeswehr brauche.

Er würdigte den Einsatz der Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan. „Die Bundeswehr hat all das ausgeführt, was ihr die Politik aufgetragen hat.“ Die 59 deutschen Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben ließen, hätten den höchsten Preis gezahlt, den ein Soldat im Auftrag seines Landes zahlen könne. „Wir stehen tief in ihrer Schuld.“

Der Abschlussappell wurde im Berliner Bendlerblock im Beisein der fünf Verfassungsorgane, also Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Bundestagspräsident, Bundesratspräsident und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts abgehalten. Mehrere Bundestagsabgeordnete waren vor Ort sowie Repräsentanten der Geistlichkeit und Seelsorge.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, „heute ist nicht der Tag, das Kapitel Afghanistan zu schließen“. Das verbiete die humanitäre und politische Situation in dem Land und auch die Tatsache, dass Menschen, die die deutschen Truppen als Ortskräfte unterstützt hätten, noch in Afghanistan seien.

Als der Bundeswehreinsatz Ende August endgültig beendet wurde, blieben Tausende afghanische Ortskräfte - trotz anders lautender Versprechen der Regierung - zurück. Nach der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban müssen sie um ihr Leben fürchten. Kramp-Karrenbauer und Steinmeier hoben hervor, dass sich Deutschland diesen Menschen verpflichtet fühle. Aktuell arbeiten Politik und Diplomaten daran, dass afghanische Helferinnen und Helfer das Land verlassen und nach Deutschland kommen können.

Laut Auswärtigem Amt haben die Visastellen in den Nachbarländern Afghanistans seit dem Ende der militärischen Evakuierungsoperation knapp 1.040 Visa für afghanische Schutzbedürftige ausgestellt. Es gebe Gespräche mit den Taliban, um noch weitere Ausreisen aus Afghanistan zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben des Innenministeriums sind mit Stand Mittwochmorgen 362 afghanische Ortskräfte in Deutschland eingereist - rechne man die Familienangehörigen hinzu, seien es 1.597 Personen.

Am Abend sollen die Streitkräfte mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude in Berlin geehrt werden. Mehrere Friedensorganisationen bezeichneten diese Zeremonie der höchsten militärischen Ehrung als „absolut unangemessen“. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW verwies unter anderem auf die katastrophale gesundheitliche Lage im Land seit dem Abzug der NATO-Truppen. Die Bundesregierung lenke mit dem Großen Zapfenstreich von ihrer eigenen Verantwortung im Afghanistan-Desaster ab.