Hamburg (epd). Die Afghanistan-Expertin Nadia Nashir hat an die G20-Staaten appelliert, die versprochenen Hilfsgelder schnell und unbürokratisch für das Land bereitzustellen. Dabei sollten vor allem auch Hilfsorganisationen bedacht werden, die vielfach ihre Projekte einstellen mussten, weil sie Hilfsgüter und ihre Mitarbeitenden nicht mehr bezahlen könnten, sagte die Vorsitzende des Afghanischen Frauenvereins dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Hamburg.
Die Banken seien geschlossen und der Staat bezahle seine Angestellten nicht mehr, sagte Nashir. Viele Menschen hätten ihre Jobs verloren und keine Einnahmequelle. Die Lebensmittelpreise stiegen stark an. „Jeden Tag verhungern Säuglinge, weil ihre Mütter sie nicht mehr stillen können. Die Not ist wirklich extrem groß. Es droht eine Hungerkatastrophe.“ Schnelle Nothilfe sei jetzt auch mit Blick auf den nahenden Winter das Wichtigste. Jede Woche erreichten ihre Organisation zahlreiche Hilfsanfragen. Sie selbst telefoniere täglich mehrere Stunden mit ihren Teams vor Ort, um die Hilfseinsätze zu koordinieren.
Die G20-Staaten hatten am Dienstag nach einer Videokonferenz angekündigt, Afghanistan mit humanitärer Hilfe großzügig zu unterstützen. Die EU hatte eine Milliarde Euro zugesagt. Die Vereinten Nationen sollen die Hilfen koordinieren. Nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August hatten mehrere Staaten die Entwicklungshilfe für Afghanistan ausgesetzt, darunter auch Deutschland.
Nashir mahnte, die Verteilung der in Aussicht gestellten Gelder müsse überwacht werden. Zu viel Geld sei in der Vergangenheit unter der alten korrupten Regierung versickert. Die Vorsitzende des Frauenvereins plädierte zudem dafür, die Unterstützung staatlicher Einrichtungen an Bedingungen zu knüpfen. So könnte die Taliban-Regierung zum Beispiel dazu veranlasst werden, auch älteren Mädchen wieder den Schulbesuch zu ermöglichen. „Derzeit dürfen laut Erlass nur Mädchen bis zu 6. Klasse in die Schule gehen.“ Viele Lehrerinnen und Lehrer staatlicher Schulen unterrichteten nicht, weil sie kein Gehalt bekämen. „Es ist aber essentiell, dass das Bildungswesen aufrechterhalten wird, besonders für Mädchen.“
Der Frauenverein könne derzeit noch seine Lehrerinnen, Ärzte und sonstiges Personal bezahlen, sagte Nashir. Von den 15 Projekten in den Provinzen Kabul, Kundus und Ghasni seien 13 derzeit geöffnet, darunter Schulen, Kliniken sowie Nothilfe- und Brunnenprogramme. Die meisten Kolleginnen, wie etwa Lehrerinnen arbeiteten unvermindert weiter. Auch die Mädchenschule des Vereins sei in Betrieb. Derzeit sei sogar der Bau eines neuen Schulgebäudes in einem Dorf nördlich von Kabul geplant.