Bonn (epd). Die humanitäre Lage in Afghanistan ist nach Angaben der Welthungerhilfe schon jetzt katastrophal und droht sich in den kommenden Monaten noch weiter zu verschlimmern. Im Winter sei mit einer weiteren Zunahme von Hunger und Armut zu rechnen, warnte die Hilfsorganisation am Mittwoch.
Aktuell sei schon mehr als die Hälfte der Menschen auf Überlebenshilfe angewiesen, also auf Nahrung, Trinkwasser, medizinische Versorgung und Unterkünfte, erklärte die Welthungerhilfe. Rund 14 Millionen Menschen hätten nicht ausreichend zu essen. Das bedeute, dass jeder Dritte Einwohner Afghanistans hungere.
Verschärft werde die Lage durch einen Anstieg der Vertriebenen und Rückkehrer: Seit Anfang 2021 seien rund 630.000 Menschen vor Gewalt aus ihren Dörfern geflohen. Hinzu kämen knapp eine Million Rückkehrer aus den Nachbarländern wie Iran, von denen ebenfalls viele ohne Hilfe und Perspektive in Kabul landeten.
„Das Land steht vor dem wirtschaftlichen Kollaps“, sagte Thomas tenBoer, Landesdirektor der Welthungerhilfe. „Besonders in den ländlichen Regionen ist die Not groß. Unsere Erkundungsmissionen in Dörfern im Norden und Osten des Landes haben große Zerstörungen und ein riesiges Ausmaß an Armut, Hunger und Verzweiflung gezeigt.“
Die Menschen befänden sich in einem Teufelskreis, erklärte tenBoer: „Das Bankensystem funktioniert nicht, es fehlt Bargeld, die Preise für Nahrungsmittel sind gestiegen und vor allem alleinstehende Frauen wissen nicht, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Sie haben keinerlei Einkommen mehr und können ihr Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen.“ Im Winter werde sich die ausweglose Lage noch einmal dramatisch verschärfen.