Jüngel lehrte in Berlin, Zürich und ab 1969 in Tübingen. Dort war er 18 Jahre lang Ephorus, also Vorsteher des Evangelischen Stifts. In dieser jahrhundertealten "Kaderschmiede" der württembergischen Landeskirche studierten schon der Astronom Johannes Kepler, der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel und der Dichter Eduard Mörike.
Nach seinem Theologiestudium in Naumburg, Ost-Berlin, Zürich und Basel und der Promotion zu "Paulus und Jesus" begann seine lebenslange Dozententätigkeit. Als Jüngels wichtigstes Buch gilt "Gott als Geheimnis der Welt" aus dem Jahr 1977. Die Dimension des Geheimnisses sei aus der Theologie fast entschwunden, weil man Geheimnis mit Rätsel verwechsele, bedauerte er. "Wenn ich das Rätsel gelöst habe, dann hat es seine Rätselhaftigkeit verloren. Je mehr ich aber von einem Geheimnis verstehe, desto geheimnisvoller wird es." Gott sei ein "öffentliches Geheimnis", betonte der Theologe.
Jüngel, den in seinen jüngeren Jahren insbesondere die Begegnungen mit dem Theologen Karl Barth, dem Philosophen Martin Heidegger und dem Komponisten Paul Hindemith prägten, machte sich durch seine Arbeiten und geschliffenen Reden schnell einen Namen. Er war Mitglied zahlreicher Akademien der Wissenschaften, erhielt für sein Lebenswerk den Predigtpreis des Verlags für die Deutsche Wirtschaft. Bis 2013 war Jüngel Kanzler des Ordens "Pour le Mérite" für Wissenschaften und Künste.
Engagiert für Weitergabe des Glaubens
Drei Jahrzehnte war er berufenes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ,hatte über viele Jahre den Vorsitz in der Kammer für Theologie und gehörte der Kammer für Öffentliche Verantwortung an. Von 2003 bis 2006 leitete er die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg. Zudem war Jüngel geschätzter Gast auf Kirchentagen.
Der Kirche schrieb er auch ins Stammbuch, dass sie sich engagiert für die Weitergabe des Glaubens einsetzen müsse. Sein bei der EKD-Synode 1999 in Leipzig geäußertes Wort, eine Kirche ohne Mission bekomme "Herzrhythmusstörungen", hallt bis heute nach und wird in kirchlichen Diskussionen immer wieder zitiert.
Eine Viruskrankheit, die seinen Kopf erfasst hatte und ihm das Lesen am Ende unmöglich machte, zwang Jüngel in den letzten Jahren in die Zurückgezogenheit. In Glaubenszweifel stürzte ihn die Erfahrung des Leids nicht. "Das muss nun tapfer ertragen werden", zitierte er seinen theologischen Lehrer Karl Barth.