Berlin (epd). Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sieht seine Kirche in einem tiefen Umbruch. In vielen gesellschaftlichen Bereichen und auch in der Kirche durchlebe man eine „Zeitenwende“, sagte der Limburger Bischof am Montagabend beim St. Michael-Jahresempfang der Bischofskonferenz in Berlin. „Wir können nicht so tun, als sei alles normal“, sagte Bätzing und forderte zur Umkehr auf. Man dürfe nicht alle Energie darauf verwenden, „wie wir die Krise stoppen“. Sondern man müsse anerkennen, „worin die Krise uns stoppt“, ergänzte er und warb für den Austausch über Reformen beim sogenannten Synodalen Weg. Deutlich ging er bei dem Thema auf dem Umgang mit sexualisierter Gewalt in seiner Kirche ein.
Der Bischofskonferenzvorsitzende sprach von äußeren und inneren Disruptionen, die die katholische Kirche betreffen. Dabei verwies er auf einen Bedeutungsverlust der Kirchen, der während der Corona-Krise deutlich zutage getreten sei. „Dass es selbst für christliche Parteien offenbar kein Problem zu sein schien, den freiwilligen Verzicht der Ostergottesdienste zu fordern, war im Frühjahr dieses Jahres ein viel beachtetes Indiz für den schleichenden Relevanzverlust der Kirchen in unserer Gesellschaft“, sagte Bätzing. Er rechnet nach eigenen Worten auch damit, dass sich der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen durch die Pandemie verschärfen wird. Dies werde „in nicht wenigen deutschen Bistümern zu finanziellen Problemen und teilweise schmerzhaften Einsparprozessen führen“, sagte Bätzing.
Als „innere Disruption“ und „fundamentale Störung des Vertrauens gegenüber der Kirche“ bezeichnete Bätzing den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der eigenen Institution. „Die Erkenntnisse zum Ausmaß des sexuellen und geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche haben zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in weiten Teilen der Bevölkerung geführt“, sagte er.
Zurückgehaltene Gutachten und eine bisweilen zögerliche Aufarbeitung verstärkten diese Entwicklung, sagte er unter Anspielung auf den Umgang mit Missbrauch im Erzbistum Köln, dessen innerkirchlich umstrittener Bischof Rainer Maria Woelki nach einer am Freitag verkündeten Entscheidung des Papstes weiter im Amt bleiben kann. Bätzing hatte dazu unter anderem gesagt, dies lasse Betroffene „ratlos und verletzt“ zurück.
Für ihn sei der Synodale Weg „die große Chance, mit der wir Antwort geben wollen auf die Herausforderungen der Gegenwart“, sagte der Bischof. Beim Synodalen Weg verhandeln katholische Laien und Kleriker über mögliche Reformen in der Kirche. Im Zentrum stehen dabei vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals Themen wie die Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche und die Demokratisierung kirchlicher Strukturen. Ende der Woche findet die zweite Synodalversammlung in Frankfurt am Main statt.
Die katholischen Bischöfe begrüßten bei ihrem Jahresempfang unter anderen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) als Gäste. Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Karl Jüsten, beglückwünschte die neu gewählten Abgeordneten zu ihrem Einzug in den Bundestag. Zugleich dankte er der scheidenden Kanzlerin Merkel für ihre 16-jährige Amtszeit, was mit langem Applaus der versammelten Vertreter aus Kirchen, Religionsgemeinschaften, der Regierung und dem Parlament beantwortet wurde.