Berlin (epd). Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat zur sofortigen Beendigung des Hungerstreiks von Klimaaktivistinnen und -aktivisten im Berliner Regierungsviertel aufgerufen. In einem am Mittwoch verbreiteten offenen Brief äußerte der frühere Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zwar Verständnis für die seit mehr als drei Wochen laufende Aktion. Er könne sich sogar vorstellen, sich eines Tages selbst an einem Klimahungerstreik zu beteiligen. Schellnhuber fügte allerdings hinzu: „Aber dieser Tag, wo man sich für das Wohlergehen der Gemeinschaft selbst Gewalt antun möchte, ist noch nicht gekommen - auch nicht für euch!“
Noch stünden eine Fülle von gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten zur Verfügung, bei denen niemand zwingend sein Leben für die Bewahrung der Schöpfung gefährden müsse, schreibt Schellnhuber. „Vermutlich werden sich nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 sogar größere Spielräume für eine deutsche Klimapolitik eröffnen, die der dramatischen Lage eher gerecht wird.“
In dem offenen Brief Schellnhubers heißt es an die Adresse der Hungerstreikenden: „Das Zeichen, das ihr gesetzt habt, ist ohnehin schon auf der ganzen Welt wahrgenommen worden.“ Der Wissenschaftler bot an, so bald wie möglich Treffen mit führenden Klimawissenschaftlern zu organisieren, wo die Jugendlichen ihren Standpunkt vorbringen könnten.
Am Donnerstagabend läuft ein Ultimatum der Hungerstreikenden ab. Sollte bis dahin das gewünschte Gespräch mit den Kanzlerkandidaten und der Kanzlerkandidatin von Union, SPD und Grünen nicht zustande kommen, will ein Teil der Gruppe in den sogenannten trockenen Hungerstreik treten und auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigern.
In den vergangenen Tagen hatten sich die Appelle für eine sofortige Beendigung des Hungerstreiks gemehrt. Nach einem Besuch im Camp hatte unter anderem der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein für einen Stopp der Aktion geworben. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert beobachtet auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Hungerstreik mit Sorge.
Klimaforscher Schellnhuber sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er sei von den Jugendlichen selbst um ein Statement gebeten worden. Mit seinem Brief wolle er einerseits Respekt für die Aktion bekunden, zugleich aber zu deren Ende aufrufen.
Die Gruppe von ursprünglich sechs jungen Menschen zwischen 18 bis 27 Jahren hatte den Hungerstreik am 30. August aufgenommen. Nach Angaben der Grünen-Pressestelle haben deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sowie die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) den Streikenden ein Gespräch angeboten - „einzeln, persönlich und nicht öffentlich - nach der Wahl“. Die Hungerstreikenden wiesen das Angebot mit der Begründung zurück, es sei das Gegenteil dessen, was sie forderten.
Seit Montag werden die noch verbliebenen vier Klimaaktivisten von vier weiteren Menschen unterstützt, die in dem Camp in den solidarischen Hungerstreik getreten sind.
Für Freitag hat auch die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ zu einem globalen Klimastreik mit Aktionen in zahlreichen deutschen Städten aufgerufen.