Osnabrück (epd). Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hält die internationale Afghanistan-Mission nicht für vergebens. „Ich denke, dass die Befreiung unserer Gesellschaften von unmittelbar bedrohlichen terroristischen Anschlägen ein Gewinn ist, den wir vor allem unserem Militär verdanken“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ in einem am Donnerstag online veröffentlichten Interview.
Forderungen aus der Union und der FDP nach einem nationalen Sicherheitsrat, um Krisen besser begegnen zu können, sehe er skeptisch. „Manche in Deutschland neigen leider dazu, auf inhaltliche Fragen zuerst organisatorische Antworten zu geben“, sagte Scharping. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei die damalige Regierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) angesichts einer nie dagewesenen Extremsituation innerhalb weniger Stunden in der Lage gewesen, alle erforderlichen Informationen zusammenzutragen, zu analysieren und Schlüsse daraus zu ziehen: „Warum das heute nicht möglich sein sollte, erschließt sich mir nicht“, sagte Scharping. Er war von 1998 bis 2002 Bundesverteidigungsminister.
Scharping mahnte einen differenzierteren Blick auf muslimische Staaten an: „Wir müssen von der Vorstellung weg, dass ein Moslem per se ein potenzieller Gewalttäter sei.“ Der Islam unterscheide sich nach Ländern, nach religiösen Strömungen, nach Verhaltensweisen, nach wirtschaftlichen Möglichkeiten und nach kulturellen Bedingungen. Dieses differenzierte Bild der Realität sei nötig, um bessere Handlungsmöglichkeiten wahrnehmen und nutzen zu können.
Auch die Erfahrungen, die eine ganze Generation in Afghanistan während der vergangenen zwei Jahrzehnte habe sammeln können, seien „alles andere als vergeblich“ gewesen, sagte der frühere Minister: „Wenn man sich anguckt, wie das Umfeld 2001 nach fünf Jahren brutalstem Taliban-Regime war und wie sich das Umfeld jetzt entwickelt, dann kann man da auch Unterschiede sehen. Das sollte man zu nutzen versuchen.“