Münster (epd). Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bestätigt nach Éinschätzung des Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchide, dass Krieg nicht die richtige Antwort auf Terror ist. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hätten der von den USA und der Nato begonnene Afghanistan-Krieg sowie die westlichen Militäreinsätze im Irak und in Libyen nur zur Verschärfung von Gewalt und Terror beigetragen, sagte der muslimische Theologe in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine „Überreaktion“ der USA und ihrer Verbündeten auf die Anschläge habe den Irak-Krieg und damit auch die Entstehung neuer Terrororganisationen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) ausgelöst.
Um wieder Vertrauen bei den Menschen in der muslimischen Welt zu schaffen, müsse der Westen Fehler zugeben und „ehrlich und ernsthaft daran arbeiten, demokratische Werte und Menschenrechte in islamischen Ländern zu etablieren“, unterstrich Khorchide, der das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster leitet. Bisher machten die Menschen in der muslimischen Welt die Erfahrung, dass es dem Westen hauptsächlich um eigene Interessen gehe: „Man verbündet sich mit diktatorischen Regimen, die ihre Bevölkerung unterdrücken, solange diese Regime die Interessen des Westens, die meist wirtschaftlicher Natur sind, garantieren.“ Dadurch fühlten sich viele Muslime mehrfach vom Westen im Stich gelassen.
Die jüngste Entwicklung in Afghanistan mit der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban und Anschlägen des IS könnten nach Khorchides Worten auch eine Gelegenheit sein, sich in Deutschland „gegen menschenfeindliche Ideologien zu vereinen“. Die radikalen Bewegungen terrorisierten Muslime wie Nichtmuslime gleichermaßen. Dies zeige, „dass die eigentliche Trennlinie keineswegs zwischen Islam und dem Westen verläuft, sondern zwischen menschenfreundlichen und menschenfeindlichen Ideologien und Weltanschauungen“, sagte der islamische Religionspädagoge.