Alle Versuche, westliche Werteordnungen mit militärischen Mitteln zu exportieren, seien an ein Ende gekommen, sagte Münkler der "Neuen Osnabrücker Zeitung". In Afghanistan sei dieses Vorhaben naiv und ohne wirkliche Kenntnis der Struktur der afghanischen Gesellschaft angegangen worden.
Die Erwartung, Weltordnungen auf der Basis politischer Normen und Regeln zu errichten, sieht der Politikwissenschaftler grundsätzlich erschüttert. "Die Modelle des humanitär begründeten militärischen Agierens muss man revidieren." Das Scheitern in Afghanistan habe gezeigt, dass die Botschaft der westlichen Werte dort kulturell wenig attraktiv gewirkt habe und als fremde Ideologie erfahren worden sei.
Münkler, bis 2018 Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Berliner Humboldt-Universität, plädierte dafür, die Weltordnung im 21. Jahrhundert auf einen Ausgleich von Interessen zu gründen. Vor allem China führe vor, wie eine neue Realpolitik aussehen könne. "Sie verbinden Politik nicht mit einem Werteexport.“
Die Welt des 21. Jahrhunderts werde von den fünf großen Blöcken der USA, der Europäischen Union, Chinas, Indiens und Russlands dominiert, sagte der Politikwissenschaftler. Es komme darauf an, dass keiner dieser Blöcke versuche, den anderen Akteuren seine Werteordnung aufzudrängen. Eine auf Werten basierte Weltordnung brauche immer einen Hüter. Die USA hätten die Lust daran verloren, diese Rolle des weltweiten Hüters einer Werteordnung zu übernehmen.