Schortens (epd). Die Zahl der vom Impfskandal im niedersächsischen Landkreis Friesland betroffenen Menschen hat sich auf 10.183 erhöht. Landrat Sven Ambrosy (SPD) sagte am Freitag, es seien noch einmal genau die Zeiten überprüft worden, in denen die beschuldigte Krankenschwester Dienst hatte. Bisher waren die Behörden von 8.557 Betroffenen ausgegangen. Die neuen Zahlen lägen seit Freitagmorgen vor. Noch im Laufe des Tages sollten die weiteren Betroffenen informiert werden. Er bedauere zutiefst, dass so viele Menschen unter dem Fehlverhalten einer einzelnen Person leiden müssten.
Der etwa 40-jährigen examinierten Krankenschwester wird vorgeworfen, im April in mindestens sechs Fällen im Impfzentrum Schortens-Roffhausen Impfstoff gegen eine Kochsalzlösung ausgetauscht zu haben. Als Grund gab sie laut den Ermittlern an, dass ihr eine Ampulle mit dem Vakzin zerbrochen sei. Aus Furcht vor einer Entlassung habe sie dann die Spritzen lediglich mit Kochsalz aufgefüllt. Am Dienstag hatte der Landkreis mitgeteilt, die Ermittler könnten nicht ausschließen, dass die Frau bereits zuvor mehrfach ausschließlich Kochsalz verwendet habe. Darum müssten mehr als 8.500 Menschen nachgeimpft werden.
Ambrosy betonte, dass die Behörden nun im Rahmen der Gefahrenabwehr alle Impflinge des fraglichen Zeitraums aufrufen, sich erneut impfen zu lassen. Bisher seien bereits 5.047 Termine für Nachimpfungen vergeben worden. Die ersten Nachimpfungen sollten bereits am Freitag erfolgen. Anschließend seien zwischen 200 und 400 zusätzliche Impfungen pro Tag vorgesehen.
Um die Nachimpfungen abzuarbeiten, soll das Impfzentrum des Landkreises auch nach der Schließung der anderen Impfzentren im Land weiterarbeiten. Auf die Kostenträger kämen erhebliche zusätzliche Summen zu. Eine Impfung schlägt laut Ambrosy mit rund 22 Euro zu Buche. Hinzu kämen die Kosten für die gesamte Logistik und Organisation.
Erst am Donnerstagnachmittag sei der Landkreis von der Polizei darüber informiert worden, dass die fristlos entlassene Krankenschwester behauptet, sie habe nicht nur Kochsalz in den Spritzen aufgezogen, sagte der Landrat. Laut ihrem Anwalt habe sie mit Impfstoffresten aus anderen Ampullen das fehlende Vakzin aus dem zerbrochenen Fläschchen ersetzt.
Diese neuen Informationen bekräftigten die Gefahreneinschätzung des Landkreises, unterstrich Ambrosy. Als examinierte Krankenschwester habe sie wissen müssen, dass das Vermischen des Impfstoffes mit Resten aus anderen Ampullen verboten sei. Außerdem sei das Gemisch zu sehr verdünnt, um einen Impferfolg zu gewährleisten. Ob die Frau eine Impfgegnerin ist und möglicherweise aus politischen Gründen handelte, wollte Ambrosy nicht bewerten. Das sei die Aufgabe der Ermittlungsbehörden.