Lübeck (epd). In der Lübecker Altstadt ist am Donnerstag die historische Carlebach-Synagoge wiedereröffnet worden. Gemeinde-Rabbiner Nathan Grinberg brachte nach jüdischer Tradition drei kleine Kapseln mit Schriftrollen, „Mesuot“ genannt, als Zeichen der offiziellen Weihe an die Türen der Synagoge an. 8,5 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet, die sieben Jahre gedauert hat. Die Lübecker Synagoge ist eine der wenigen in Deutschland, die in der NS-Zeit nicht zerstört wurde.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, nannte die Synagoge „ein echtes Schmuckstück“. Ihre Wiedereinweihung falle in das Jubiläumsjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, das mit rund 1.500 Veranstaltungen jüdisches Leben in seiner ganze Breite zeigen will. Jüdisches Leben werde derzeit zunehmend durch Rechtsextreme, die Israel-Boykott-Bewegung BDS und die AfD gefährdet. Schuster betonte: „Antisemitismus ist keine Meinung.“
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nannte die Synagoge einen „inspirierenden Teil deutscher Geschichte und Gegenwart“. Die Wiedereröffnung sei auch ein Beitrag gegen Antisemitismus, weil sie zeige, dass jüdisches Leben Teil der europäischen Kultur sei.
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) sagte, die Synagoge gehöre zu den schönsten in Deutschland. Dass für das Gebäude Polizeischutz notwendig ist, sei aber traurig und beschämend: „Jüdisch zu leben darf nie wieder etwas sein, das man verstecken muss.“
Nach den Worten von Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay ist das Gotteshaus auch eine Bildungseinrichtung zur Vermittlung von Werten. Sie sollte junge Menschen zu guten Staatsbürgern und frommen Juden erziehen. Der Gemeindevorsitzende Alexander Olschanski versprach, dass die Synagoge ein offenes Haus sein soll. Eine neue Dauerausstellung informiert über die Synagoge und jüdisches Leben.
Im Zentrum der Bauarbeiten stand die Sanierung der reich verzierten Wände und Decken des zweistöckigen Gottesdienstraums. Das Dach, die Heizung und die Sanitäranlagen mussten erneuert werden. Die Baukosten wurden vom Bund, dem Land, der Stadt und Stiftungen aufgebracht. Die Jüdische Gemeinde hat heute rund 600 Mitglieder, die überwiegend aus Osteuropa stammen.
Die Synagoge wurde am 10. Juni 1880 eingeweiht. Ursprünglich im maurischen Stil errichtet, verfügte das Gebäude bis Ende der 1930er-Jahre über eine prunkvolle Fassade und eine große Kuppel. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 schändeten Nazis die Synagoge und verwüsteten mehrere Räume. Die Synagoge musste an die Stadt verkauft werden und wurde als Sporthalle genutzt. Dafür ließ die Stadtverwaltung die Fassade und die Kuppel entfernen.
Bei einem Brandanschlag durch Rechtsextremisten wurden am 25. März 1994 der Vorraum und historische Dokumente zerstört. Bei einem zweiten Brandanschlag ein Jahr später brannte ein angrenzender Schuppen.