Weltklimarat: Erderwärmung rückt nah an die kritischen Marken heran

Weltklimarat: Erderwärmung rückt nah an die kritischen Marken heran
Der Klimawandel schreitet voran. Der Anstieg der Meeresspiegel und die Eisschmelze in den Polarregionen sind nicht mehr zu stoppen. Die Wissenschaft schlägt Alarm: Nur drastische Maßnahmen können eine Erderwärmung von mehr als zwei Grad verhindern.

Berlin, Genf (epd). Ohne drastische Gegenmaßnahmen wird die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten die kritische Marke von Zwei-Grad-Celsius überschreiten. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Weltklimarats in Genf hervor. Aktuell sind von Menschen verursachte Treibhausgase demnach für einen globalen Temperaturanstieg von rund 1,1 Grad Celsius seit dem Zeitraum von 1850 bis 1900 verantwortlich. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens könnte laut Report bereits in 20 Jahren überschritten sein.

Die Erderwärmung macht sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge schon heute in allen Regionen der Welt bemerkbar. So habe der Klimawandel teils dramatische Auswirkungen und bringe Überschwemmungen und Dürren mit sich.

UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, die steigenden Temperaturen bedrohten das Leben von Milliarden Menschen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, der Bericht sei ein eindeutiges Signal: „Der Planet schwebt in Lebensgefahr.“ Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) fügte hinzu, die Hochwasserkatastrophe in West- und Süddeutschland zeige auf, wie wichtig die Vorbereitung auf Wetterextreme sei. Dabei müsse die Forschung helfen, Extremwetter noch genauer regional vorherzusagen.

Gemäß dem Bericht des Weltklimarates ist die globale Oberflächentemperatur seit 1970 stärker angestiegen als in irgendeinem Vergleichszeitraum der vergangenen 2000 Jahre. Der Bericht bekräftigt, dass die Erderwärmung zweifelsfrei von Menschen beeinflusst ist. Daher müsse es sofortige, schnelle und massive Reduktionen von Treibhausgasen geben.

Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, nannte die Hochwasserkatastrophen in mehreren Ländern Europas als ein Beispiel für die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels: „Die harsche Realität des Klimawandels spielt sich jetzt vor unseren Augen ab.“

Der Anstieg der Meeresspiegel ist laut Report bereits jetzt unumkehrbar und wird noch Hunderte Jahre andauern. An den Küsten stünden dadurch zunehmend schwere Überschwemmungen bevor. Was bisher als Jahrhundertflut galt, könnte sich somit in etwa 80 Jahren schon jährlich ereignen. Maßnahmen gegen den Klimawandel zeigten erst mittel- und langfristig Erfolge: Selbst eine deutliche Reduktion von Treibhausgasen stabilisiere die globalen Temperaturen erst in etwa 20 bis 30 Jahren.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte einen „weltweiten Green Deal“. Gewaltige Investitionen zum Ausbau erneuerbarer Energien sowie Technologietransfers von Industriestaaten in Schwellen- und Entwicklungsländer seien nötig. „Nur so ist es möglich, Wachstum ohne dramatische Steigerung der CO2-Emissionen zu erzielen.“

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, bezeichnete die Klimafrage als „die große Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit“. Denn „am stärksten leiden diejenigen unter den Folgen, die am wenigsten dazu beigetragen haben“. Gerade in den Ländern des Globalen Südens verschärften sich dadurch Hunger, Gesundheitsrisiken und Gewaltkonflikte. Die nächste Bundesregierung müsse den Kampf gegen die Klimakrise zu ihrer Top-Priorität erklären, erklärte sie.

Die Sprecherin der Jugendbewegung „Fridays For Future“, Luisa Neubauer, forderte, dass alle Wahlprogramme in Deutschland „1,5-Grad-konform“ sein müssten. „Wir stehen wenige Woche vor der Bundestagswahl in einem der Hauptverursacherländer der Klimakrise, und keine der Parteien hat eine angemessen Antwort auf die Drastik der Lage.“

An dem Bericht der Arbeitsgruppe eins zum Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats über die physikalischen Grundlagen des Klimawandels haben mehr als 230 Forscherinnen und Forscher aus 66 Ländern mitgewirkt.