Wichtiger als die Frage nach den Ursachen sei es jetzt, erst einmal "den Menschen die Ruhe geben, mit diesem Schock fertig zu werden", sagte Käßmann am Samstag im WDR-Radio. Seelsorge bedeute, für die Seele zu sorgen. Das sei jetzt wichtig, weil viele Menschen andere Menschen zu betrauern hätten. "Ich denke auch an die Notfallhelfenden, die entsetzliche Szenen gesehen haben", sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Nötig sei es jetzt, Zeit zu haben, zuzuhören und zuzulassen, dass die betroffenen Menschen ihre Geschichten erzählen und ihren Schock verarbeiten könnten, sagte die Theologin. Wichtig sei das Signal: "Wir denken an euch und wir werden euch nicht allein lassen." Christen könnten anderen Menschen in so einer Notsituation zudem anbieten, für sie zu beten. Die Verarbeitung brauche jedoch viel Zeit: "Trauer und Schmerz sind langfristige Prozesse, für die wir Geduld brauchen und Zeit zum Zuhören", unterstrich Käßmann.
Helfen könnten auch Menschen, die keine professionelle Seelsorgerinnen und Seelsorger sind, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin. So könne man empathisch sein und sich fragen, was einem selbst in so einer Situation guttun würde. Vielen Menschen würde es etwa guttun, sich irgendwo auf ein Sofa setzen zu dürfen, zu weinen und erstmal die Last abladen zu können, die auf ihnen liege.
Käßmann äußerte die Hoffnung, dass die Katastrophe, die viele Menschenleben gekostet habe, zugleich ein Weckruf für eine Änderung der Lebensweise sei. Es müsse klar werden, dass die Klimakatastrophe nicht mehr geleugnet werden könne. "Wir müssen jetzt wirklich zusehen, dass das nicht politische Sprüche bleiben und Phrasen, sondern dass wir unseren Lebensstil so verändern, dass die kommenden Generationen eine Chance haben, auf diesem Planeten zu leben."
Unwetterkatastrophen wie Sintfluten gebe es auch in der Bibel, erklärte Käßmann weiter. Nach christlichem Glauben schicke nicht Gott die Fluten und Unglücke. Nach der biblischen Erzählung habe Gott gesagt, dass er nie wieder zerstören werde. "Gott kann uns die Kraft geben, mit solchen Situationen zu leben und Leid auch miteinander durchzustehen."