Berlin (epd). Der Star-Pianist Igor Levit hat sich mit scharfen Worten gegen pauschale Antisemitismusvorwürfe gegen Migranten verwahrt. „Auf dem Rücken von Jüdinnen und Juden wird hier in diesem Land Rassismus betrieben, da fehlen mir manchmal die Worte“, sagte Levit am Montag bei einer Diskussion anlässlich einer Festveranstaltung zu 30 Jahren jüdischer Zuwanderung in Deutschland in Berlin.
Er verwies auf die nach judenfeindlichen Ausschreitungen bei Pro-Palästina-Demonstrationen kürzlich aufgeflammte Debatte über Antisemitismus unter arabischen Zuwandern in Deutschland. Man dürfe nicht zulassen, „dass wir innerhalb von einer Woche einerseits Frau Neubauer vorwerfen, sie würde unidifferenziert mit Herrn Maaßen umgehen und dann in die Kamera sagen, Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen mal etwas über Antisemitismus lernen“, sagte Levit. Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer hatte dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten und CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen Antisemitismus vorgeworfen und wurde dafür teils harsch kritisiert.
Levit betonte: „Wer eine Gesellschaft spaltet, wer undifferenziert Rassismus betreibt auf dem Rücken der Juden, gefährdet Juden.“ Dabei verwies er konkret auf Teile der Medien. „Ich kenne sehr, sehr viele Jüdinnen und Juden, die sich nicht vertreten fühlen von der Art und Weise, wie zum Beispiel ein gewisses großes deutsches Medienhaus sein Rittertum für die jüdische Sache führt“, sagte er in Anspielung auf den Axel-Springer-Konzern.
Die Anfeindungen gegen Zuwanderer seien für ihn 2015 der Grund gewesen, sich öffentlich dagegen zu äußern, sagte Levit, der mit seiner Familie selbst als Kontingentflüchtling nach Deutschland kam. Der berühmte Pianist hatte viele Follower bei Twitter, seine Klavierkonzerte dort zu Beginn der Pandemie fanden ein großes Publikum.
Am Sonntag deaktivierte Levit, der im Netz viele Drohungen erhielt, seinen Account auf der Plattform. Levit sagte bei der Podiumsdiskussion, dies sei „mit Freude in den Augen“ geschehen, ohne die Gründe zu erläutern. An anderer Stelle sagte er: „So ein Leben ist komplizierter als 280 Zeichen auf Twitter.“