Berlin (epd). Die Kritik an der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Pflegereform hält an. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) wertete die Vorlage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als „Wahlkampf statt Pflegereform“. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein erklärte am Donnerstag in Berlin, an der Unterbezahlung und der Überlastung der Pflegekräfte werde Spahns Entwurf nichts ändern, denn ortsübliche Tarife lägen häufig weit unter einem angemessenen Lohn. Der Minister ignoriere die Forderungen der Berufsgruppe „konsequent“, kritisierte Bienstein. Der Berufsverband fordert ein Einstiegsgehalt für Pflegekräfte von 4.000 Euro brutto und eine sofortige Verbesserung der Personalsituation.
Spahns Entwurf schreibt vor, dass nur noch solche Pflegeeinrichtungen mit den Pflegekassen abrechnen dürfen, die Tariflöhne zahlen. Heimbewohnern werden Entlastungen bei den Zuzahlungen zu ihren Pflegekosten in Aussicht stellt, damit die steigenden Kosten nicht zu ihren Lasten gehen.
Der Vorsitzende des BIVA-Pflegeschutzbunds, Manfred Stegger, nannte die zeitlich gestaffelte, prozentuale Erleichterung bei den Eigenanteilen am Mittwoch „reine Schönfärberei“. Ursprünglich habe Spahn eine Deckelung der monatlichen Zuzahlungen auf 700 Euro in Aussicht gestellt. Nun aber gebe es im ersten Jahr im Heim nur einen Zuschuss von fünf Prozent, kritisierte Stegger. Von den höheren Entlastungen in den Folgejahren werde nur die Hälfte der Heimbewohner profitieren können, weil jeder zweite Heimbewohner im ersten Jahr des Aufenthalts sterbe. Der Eigenanteil zur Pflege im Heim lag zu Beginn dieses Jahres bei 831 Euro und steigt weiter.
Ungewöhnlich deutliche Kritik kam auch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, der vom Bundesfamilienministerium gefördert wird und Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Bundesländer sowie die meisten Akteure im Sozialwesen unter seinem Dach vereinigt. Geschäftsführerin Nora Schmidt erklärte, Pflegebedürftige hätten auch weiterhin „keine Sicherheit, nicht über ihre finanziellen Grenzen hinaus belastet zu werden“. Die prozentuale Begrenzung könne daher nur eine Übergangslösung hin zu einer festen Begrenzung der Eigenanteile sein.
Schmidt bezweifelte außerdem die Wirksamkeit der Tariflohn-Vorschrift: Es bleibe unklar, ob und wie die Regelungen griffen. Zudem solle erst im Jahr 2025 geprüft werden, ob die Löhne in der Altenpflegebranche tatsächlich gestiegen seien.