Frankfurt a.M. (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht sich gegen ein Vorziehen des deutschen Kohleausstiegs aus. Die von den Beschlüssen betroffenen Menschen bräuchten „schon ein Stück Verlässlichkeit auf dem Weg hin zu Klimaneutralität“, sagte Merkel beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verlangte Marktregeln und eine Förderpolitik, die erneuerbaren Energien den Vorrang gibt. Ihr Kontrahent Armin Laschet (CDU) stellte die internationale Zusammenarbeit heraus.
Merkel betonte, dass der Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle spätestens 2038 erfolgen solle. „Ich möchte nicht nach einem Jahr das jetzt alles wieder aufschnüren“, sagte die Kanzlerin beim vorab aufgezeichneten Podium „Zukunft geht nur gemeinsam: Warum Klimaschutz alle Generationen braucht“. Für die Zukunft sei der europaweit geregelte CO2-Preis entscheidend, der die Wirtschaftlichkeit der Kohleverstromung entscheidend beeinflusse.
Baerbock sagte, derzeit würden fossile Energien mit Milliarden subventioniert, erneuerbare Energien hätten keine Chance. „Der Markt ist bisher ungerecht“, sagte sie bei einer anderen Veranstaltung des Kirchentages, die wie die meisten wegen der Corona-Pandemie vorab aufgezeichnet worden war und seit Samstag abrufbar ist. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Umweltschäden berücksichtigt werden
Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende April Teile des deutschen Klimapakets als verfassungswidrig beurteilt, weil es die Hauptlast zur Begrenzung der Erderwärmung vor allem der jüngeren Generation aufbürde. Daraufhin hatte die Bundesregierung am vergangenen Mittwoch ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Demnach soll unter anderem die bislang für 2050 angepeilte Klimaneutralität bereits 2045 erreicht werden.
Die „Fridays for Future“-Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte bei der Diskussionsrunde mit der Kanzlerin, die Bundesregierung habe über Jahrzehnte hinweg den Klimaschutz nicht nur verschlafen, sondern ihn blockiert und damit die Klimakrise vorangetrieben. Sie nannte das Urteil des Verfassungsgerichts „großartig“, das festgelegt habe, dass alle Generationen gleiche Rechte hätten. Was banal klinge, sei revolutionär. „Auf einmal spielt die Zukunft tatsächlich eine offizielle legitimierte Rolle“, sagte Neubauer.
CDU-Chef Laschet sagte, mit dem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht „uns ins Stammbuch geschrieben, dass wir nicht nur im Jetzt leben können“, sondern auch künftige Generationen in den Blick genommen werden müssten. Wichtig sei im Kampf gegen die Erderwärmung die internationale Zusammenarbeit, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in einem vorab aufgezeichneten Interview. Ohne Länder wie die USA, Russland, China und Brasilien könne Klimaschutz nicht erfolgreich sein. „Das Engagement in der einen Welt ist bei dieser Frage lebenswichtig“, unterstrich Laschet.
Merkel, die zur Bundestagswahl am 26. September nicht mehr antritt, sagte, Klimaschutz setze politische Mehrheiten voraus. Sie wolle, dass bei der Wahl jene gewinnen, die sich für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Artenvielfalt einsetzen.
Der am Donnerstag eröffnete 3. Ökumenische Kirchentag steht unter dem Leitwort „schaut hin“. Aufgrund der Corona-Pandemie findet das Laienfest von Protestanten und Katholiken digital und dezentral statt. Der Kirchentag geht am Sonntag mit einem Schlussgottesdienst am Frankfurter Mainufer zu Ende.