Flensburg, Hamburg (epd). Der Psychiater und katholische Theologe Manfred Lütz (67) hält die Vorwürfe gegen den Hamburger Erzbischof Stefan Heße im Kölner Missbrauchsskandal für unbegründet. Die elf „Pflichtverletzungen“, die im Gutachten der Kölner Anwaltskanzlei Gercke aufgeführt werden, seien „ausnahmslos substanzlos“, sagte Lütz dem „Flensburger Tageblatt“ (Mittwoch). „Ich finde es ungerecht, dass so jemand jetzt am Pranger steht, aber andere, die wichtige Entscheidungen unverantwortlich verzögert haben, ungeschoren davonkommen.“ Lütz gehörte von 2006 an zum Beraterstab des Erzbistums Köln zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, verließ diesen aber 2015 aus Protest.
Heße wird vorgeworfen, dass er als Personalreferent in seinem früheren Erzbistum Köln den Missbrauchsvorwürfen nur unzureichend nachgegangen sei. Er bot daraufhin im März dem Papst seinen Rücktritt an und ist derzeit beurlaubt.
Heße sei ein besonders fähiger Personalchef gewesen und habe viel Empathie für die Opfer gezeigt, sagte Lütz. Zu den elf „Pflichtverletzungen“ zähle eine „offensichtliche Falschbeschuldigung“, zwei Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft keinen sexuellen Missbrauch erkannt habe, und fünf Fälle, in denen die Betroffenen nicht reden wollten. Vorgeworfen würden ihm auch drei Fälle, weil er die Meldung längst verjährter Fälle unterlassen habe.
Er habe das Beratergremium des Erzbistums Köln wegen der „skandalösen Zustände“ verlassen, sagte Lütz. So sei beispielsweise die Staatsanwaltschaft bewusst nicht informiert worden und der Umgang mit Opfern sei zum Teil empörend gewesen. „Es waren nicht die Mitglieder, es war die Leitung, die unfähig war.“
Die Anwaltskanzlei Gercke hat 236 Akten zu Fällen von Missbrauch im Erzbistum Köln ausgewertet. In 75 Fällen machten die Gutachter Rechtsverstöße aus.