Teuteberg: Vereinnahmung von Sophie Scholl muss widersprochen werden

Teuteberg: Vereinnahmung von Sophie Scholl muss widersprochen werden
07.05.2021
epd
epd-Gespräch: Christine Xuân Müller

Berlin, Potsdam (epd). Anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl hat Brandenburgs FDP-Vorsitzende, Linda Teuteberg, zum klaren Widerspruch gegen eine Vereinnahmung der NS-Widerstandskämpferin aufgerufen. „Auch Unberufene berufen sich auf Sophie Scholl - und das auf der rechten und auf der linken Seite des politischen Spektrums“, sagte Teuteberg dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Beidem müsse deutlich widersprochen werden, sagte die Vize-Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie“.

„Denn wir leben heute nicht in einer Diktatur, sondern in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat“, sagte Teuteberg mit Blick auf die „Querdenken“-Bewegung, die die staatlichen Corona-Maßnahmen kritisiert. „Unter demokratisch verfassten Verhältnissen gibt es indes durchaus undemokratische und illiberale Verhaltensweisen einzelner Personen oder auch zivilgesellschaftlicher Gruppen“, so die FDP-Bundestagsabgeordnete: „Das ist dann kritikwürdig, aber von staatlicher Diktatur und Zensur klar zu unterscheiden.“

Die Mythenbildung von links, die Sophie Scholl und ihre Mitstreiter als vermeintlich antifaschistische Sozialisten vereinnahmt, sei ebenfalls geschichtsvergessen und zurückzuweisen. „Sophie Scholl war eine anti-totalitaristische Freiheitskämpferin mit religiöser Motivation“, sagte Teuteberg. Sophie Scholl habe es nicht verdient, „zur Konsensheiligen und zum Heldenmythos verklärt zu werden“. Die NS-Widerstandskämpferin sei ein echtes Vorbild, „aber als ganzer, komplizierter, widersprüchlicher, fragender und zögernder, verletzbarer und verletzender Mensch“, sagte die FDP-Politikerin.

„Die Tatsache, dass sie jahrelang eine glühende Anhängerin des Nationalsozialismus gewesen war, bevor sie sich im Widerstand gegen die NS-Barbarei aufopferte, schmälert nicht ihre menschliche Größe“, sagte Teuteberg. Im Gegenteil sei ihre Fähigkeit zur Wandlung Beleg für die außergewöhnliche Kraft ihrer Persönlichkeit. „Sie zeigt auch beispielhaft, dass man kein makellos guter Mensch sein muss, um im Angesicht äußerster Menschenverachtung das Richtige zu tun. Ihr Gewissen brach sich Bahn und das in aller Konsequenz.“

Teuteberg rief dazu auf, Sophie Scholls Schicksal in aller Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit ihrer Persönlichkeit zu vermitteln und dafür verschiedene Formate zu nutzen, um viele Menschen verschiedener Generationen zu erreichen. Am Sonntag (9. Mai) jährt sich der 100. Geburtstag von Sophie Scholl. Sie war Mitglied der NS-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, die in Flugblättern zum Sturz des NS-Regimes aufrief. Nach ihrer Entdeckung wurde die damals 21-jährige Studentin gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl am 22. Februar 1942 von NS-Richtern zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet.