Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht eine Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe skeptisch. „Der US-Vorschlag für eine Aufhebung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe hat erhebliche Implikationen für die Impfstoffproduktion insgesamt“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. Auch ein Branchenverband der Pharma-Unternehmen wandte sich gegen eine vorübergehende Lockerung. Dagegen hoffen Hilfswerke wie „Ärzte ohne Grenzen“, dass ein Aussetzen des Patentschutzes eine Produktion von Impfstoffen in armen Ländern ermöglicht.
Regierungssprecherin Demmer sagte, limitierende Faktoren bei Corona-Impfstoffen seien die Produktionskapazitäten und die hohen Qualitätsstandards, „nicht die Patente“. Die Bundesregierung arbeite daran, in Deutschland, der EU und weltweit Produktionskapazitäten zu verbessern. „Der Schutz von geistigen Eigentum ist Quelle von Innovation und sollte es auch in Zukunft bleiben“, sagte Demmer.
Am Mittwoch hatten die USA Unterstützung für die Forderung armer Länder nach einer Aussetzung des internationalen Patentschutzes auf Impfstoffe und Medikamente im Kampf gegen Covid-19 signalisiert. Die Welt müsse mit außergewöhnlichen Maßnahmen auf die globale Gesundheitskrise reagieren, erklärte die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai in Washington. Die US-Regierung werde sich aktiv an den Gesprächen in der Welthandelsorganisation (WTO) beteiligen, um die Patentrechte auf Vakzine, Heilmittel und medizinische Ausrüstung vorübergehend aufzuheben.
Die EU zeigte sich offen für Gespräche. In der Bundesregierung haben sich Minister der Union, unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), ablehnend zum Vorstoß der USA geäußert. Außenminister Heiko Maas (SPD) signalisierte dagegen Offenheit für Gespräche über ein Aussetzen des Patentschutzes. „Wenn das ein Weg ist, der dazu beitragen kann, dass mehr Menschen schneller mit Impfstoffen versorgt werden, dann ist das eine Frage, der wir uns stellen müssen“, sagte er am Donnerstag.
Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ wären „mehr als sieben Produzenten“ in Afrika in der Lage, eine mRNA-Impfstoffproduktion zu beginnen, wenn der Patentschutz ausgesetzt würde. Es gehe darum, die Produktion von Impfstoffen weltweit hochzufahren, betonte Referentin Lara Dovifat im WDR. Das sei auch deshalb nötig, weil sich immer wieder Varianten des Coronavirus bildeten und möglicherweise „weitere Impfrunden“ nötig seien.
Die deutsche Pharmabranche reagierte mit Ablehnung. „Die Produktion, die jetzt aufgebaut worden ist und weiter aufgebaut wird, wird ausreichen, um die ganze Weltbevölkerung impfen zu können“, sagte der Präsident des Verbandes der forschender Pharma-Unternehmen, Han Steutel, am Freitag im Deutschlandfunk. Mit Blick auf den Patentschutz fügte er hinzu, die Unternehmen müssten bei einer möglichen neuen Pandemie die Gewissheit haben, dass ihre Forschung auch bezahlt werde.
Die Industrie habe in der Corona-Pandemie Außerordentliches geleistet, sagte Steutel. „Aber wir wissen alle, dass es nicht auf Knopfdruck geht.“ Das wichtigste sei nun, Exportverbote abzuschaffen. Die Staaten müssten gemeinsam überlegen, wie die Impfstoffe verteilt werden sollten. Steutel kritisierte die Exportverbote der USA für Corona-Impfstoffe, aber auch für Bioreaktoren und Materialien, was die Produktion in Deutschland beeinträchtigt habe.