Wiesbaden (epd). Nach der Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall der „NSU 2.0“-Drohschreiben haben sechs Betroffene die Aufklärung „drängender Fragen“ gefordert. „Es gibt keinen Grund für Entwarnung“, heißt es in der Erklärung, die auf Initiative der Bundesvorsitzenden und hessischen Fraktionsvorsitzenden der Linken, Janine Wissler, am Mittwoch in Wiesbaden veröffentlicht wurde. Zu den Unterzeichnerinnen gehören außerdem die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die Kabarettistin und Schauspielerin Idil Baydar, die Fraktionsvorsitzende der Linken in Berlin, Anne Helm, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, Martina Renner, und die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah.
Die Festnahme eines Tatverdächtigen zweieinhalb Jahre nach Beginn der inzwischen mehr als 100 Drohschreiben sei ein wichtiger Ermittlungserfolg, erklären die Unterzeichnerinnen. Nun müssten die Fragen geklärt werden, wie der Tatverdächtige an Daten aus Polizeicomputern in Frankfurt am Main, Wiesbaden, Hamburg und Berlin und an eine im Einwohnermelderegister gesperrte Adresse kommen konnte. Auch müsse aufgeklärt werden, welche Verbindungen der in Berlin Festgenommene nach Hessen habe und ob es Verbindungen zu einer rechtsextremistischen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln gebe. Außerdem sei merkwürdig, dass bei dem wegen Körperverletzung Vorbestraften eine Schusswaffe gefunden worden sei.
Die Unterzeichnerinnen äußerten sich „irritiert“ darüber, dass der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) die Polizei von einer Verwicklung in die Drohschreiben freigesprochen habe, obwohl die Herkunft der vertraulichen Daten noch nicht geklärt sei. „Dass unbekannte Anrufer sich als Polizisten ausgeben und die Daten einer gesamten Familie aus einem Polizeicomputer abfragen können, erscheint wenig plausibel“, heißt es in der Erklärung.