Potsdam (epd). Der gewaltsame Tod von vier Schwerstbehinderten am evangelischen Oberlinhaus ist weit über Potsdam hinaus mit Entsetzen und Fassungslosigkeit aufgenommen worden. Der theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, sprach am Donnerstag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der brandenburgischen Landeshauptstadt von einer "großen Erschütterung" für alle Mitarbeitenden.
Es werde "eine Weile brauchen, bis wir das alles verstehen", sagte Fichtmüller. In der Nacht zu Donnerstag waren laut Polizei in verschiedenen Zimmern des Thusnelda-von-Saldern-Hauses der Oberlin-Lebenswelten vier getötete Menschen und eine schwerverletzte Person gefunden worden. Eine 51-jährige Mitarbeiterin wurde unter dringendem Tatverdacht festgenommen. In der Einrichtung leben Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen.
Einzelheiten zum Tatablauf und zur Motivation wurden zunächst nicht bekannt. Eine Mordkommission der Polizei nahm unter Leitung der Staatsanwaltschaft Potsdam Ermittlungen zum Verdacht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts auf. Polizei und Staatsanwaltschaft stellten weitere Informationen nicht vor Donnerstagnachmittag in Aussicht. Die Polizei war nach eigenen Angaben seit kurz vor 21 Uhr am Mittwochabend auf dem Gelände im Stadtteil Babelsberg im Einsatz.
Für Donnerstagabend um 19 Uhr war nach den Worten von Fichtmüller eine Gedenkandacht in der Oberlinkirche geplant. Im betroffenen Thusnelda-von-Saldern-Haus leben der Bereichsleiterin Wohnen, Tina Mäueler, zufolge mehr als 60 Menschen. Bei den vier Getöteten handelt es sich laut Fichtmüller und Mäueler um Bewohner, die alle schon seit lange Zeit dort lebten, zwei davon bereits seit dem Kindesalter.
Auf seiner Internetseite schrieb das Oberlinhaus am Donnerstag: "All unsere Sorge und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Betroffenen." Auch evangelische Landeskirche und Diakonie sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl und ihre tiefe Anteilnahme aus. "Wir sind entsetzt und erschüttert über dieses Verbrechen an den Schwächsten und Schutzbedürftigsten in unserem diakonischen Haus", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und den Vorständinnen Barbara Eschen und Andrea Asch vom Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: "Es ist ein trauriger Tag, ein schwarzer Tag für uns alle in Diakonie und Landeskirche."
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sprach auf Twitter von einer "unbegreiflichen Tat". Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigte sich in dem Kurznachrichtendienst "schockiert über diese schreckliche Nachricht". Der Brandenburger Landtag sprach den Angehörigen der Opfer zu Beginn seiner Plenarsitzung am Donnerstag Mitgefühl und Anteilnahme aus. Innenminister Michael Stübgen (CDU) erklärte: "Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und ihren Angehörigen, denen wir viel Kraft in diesen schweren Stunden wünschen."
Das Oberlinhaus mit rund 150-jähriger Tradition gilt mit rund 2.000 Beschäftigten als einer der größten Arbeitgeber in Potsdam. Namensgeber ist der Pfarrer und Sozialreformer Johann-Friedrich Oberlin (1740-1826).