Aachen (epd). Der Betroffenenvertreter Matthias Katsch fordert eine stärkere und verbindlichere Vermittlerrolle des Staates bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt in der katholischen Kirche. Die Aufarbeitungsprozesse in den verschiedenen Bistümern seien unübersichtlich und unkoordiniert, sagte Katsch am Donnerstagabend bei einer Online-Veranstaltung der Akademie des Bistums Aachen. Notwendig seien kirchenunabhängige Wahrheitskommissionen. "Die Kirche braucht Ansagen von außen, sonst zerfließt die Debatte völlig." Niemand kläre auf, wenn es nicht die Opfer selbst oder Medien machten.
Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" bemängelte auch, dass es in Deutschland kein juristisches Instrumentarium gebe, wie mit strafrechtlich verjährtem Unrecht umzugehen sei. "So stehen Vorwürfe im Raum, die nie aufgeklärt werden", sagte Katsch. Durch die Verjährung fehle die Möglichkeit festzustellen, wie hoch eine angemessene Entschädigung oder Anerkennungszahlung für lange zurückliegendes Unrecht sein sollte.
Am verstörendsten sei für ihn als Katholiken in seiner Kirche der Mangel an Bereitschaft gewesen, Verantwortung zu übernehmen, berichtete Katsch: "Ich war verblüfft, wie schwierig es ist, Verantwortlichkeiten zu klären. Das Herumeiern, wer wann wo was gewusst hat, widerspricht der katholischen Hierarchie." Denn jeder Bischof trage in seinem Bistum die letzte Verantwortung.
Matthias Katsch (58) wurde als Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin von zwei Jesuitenpatres sexuell misshandelt. 2010 wandte er sich zusammen mit weiteren ehemaligen Mitschülern an den damaligen Leiter der Schule, Pater Klaus Mertes, und berichtete über seine Erlebnisse. Mertes ermutigte daraufhin per Brief ehemalige Schüler des Kollegs, sich zu melden, wenn ihnen Ähnliches widerfahren war. Damit wurden Hunderte solcher Fälle öffentlich.