Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm sagte, angesichts sinkender Kirchenmitgliedszahlen, die Zeit einer Kirche als "gesetzte Institution" sei vorbei. Heute gehe es darum, unter den Bedingungen des Pluralismus und der Individualisierung die Kraft der christlichen Botschaft deutlich zu machen. Kirchenmitgliedszahlen seien heute "viel ehrlicher" als früher, als Menschen nach einem Austritt sozial ausgegrenzt worden seien. "Die Menschen, die jetzt in der Kirche sind, wissen auch warum", sagte Bedford Strohm. Daher sei er zuversichtlich, dass auch eine Kirche mit weniger Mitgliedern ausstrahlungsstark sein könne.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beharrt auf einem eigenständigen Kurs der Katholiken in Deutschland. "Die Kirche kann nicht zentral gesteuert werden", sagte der Limburger Bischof zu den Konflikten mit dem Vatikan. Bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte Bätzing am Donnerstagabend in Frankfurt am Main, die Kirche müsse im Rahmen der katholischen Glaubenslehre und des Kirchenrechts dezentral leben und entscheiden können.
Bätzing erklärte die teils scharfen Töne aus dem Vatikan zum Reformprozess Synodaler Weg und Plänen für konfessionsübergreifende wechselseitige Einladungen zum Abendmahl mit der Sorge um die Einheit der Kirche. "Ich glaube, es herrscht Angst", sagte der oberste Repräsentant der deutschen Katholiken. Aus dieser Angst heraus greife der Vatikan bisweilen zu falschen Instrumenten.
Der 3. Ökumenischen Kirchentag sollte ursprünglich beim Christentreffen vom 12. bis 16. Mai Zehntausende Menschen in Frankfurt zusammenbringen - zu Vorträgen, Diskussionsrunden, Workshops, Gottesdiensten und Konzerten. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Programm deutlich verkleinert, die Angebote sind weitgehend digital. Statt der ursprünglich geplanten mehr als 2.000 Veranstaltungen wird es nun etwa 80 geben, beginnend an Christi Himmelfahrt bis zum darauffolgenden Sonntag.
Streitthema Abendmahl
Ein wesentlicher theologisch begründeter Dissens im Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten ist seit vielen Jahren nicht ausgeräumt: die wechselseitige Teilnahme am Abendmahl. Bei den Gottesdiensten mit Abendmahl oder Eucharistie am letzten Abend des Kirchentags sollen Christinnen und Christen gleich welcher Konfession an allen Mahlfeiern teilnehmen können, wenn sie dies mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Damit riskieren vor allem die katholischen Organisatoren, neben dem Zentralkomitee auch das Bistum Limburg mit Bischof Bätzing an der Spitze, einen Konflikt mit dem Vatikan.
Bedford-Strohm, der einen orthodoxen Gottesdienst besuchen will, sprach von einem "Netz von Gastfreundschaften", das mit den vier geplanten Gottesdiensten gespannt werden soll. Im Zentrum dessen stehe Jesus Christus.
Grundlage für die wechselseitige Einladung zu Abendmahl und Eucharistie beim Kirchentag ist ein Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen "Gemeinsam am Tisch des Herrn", das 2019 veröffentlicht wurde. Darin sprachen sich führende Theologinnen und Theologen beider Konfessionen, unter ihnen auch Bischof Bätzing, für die Möglichkeit der wechselseitigen Teilnahme an Eucharistie und Abendmahl aus, da nach ihrer Auffassung nicht die Kirche, sondern Jesus Christus zum Abendmahl einlädt. Grundlegend dafür ist die Taufe. Der Vatikan, der in Fragen der katholischen Lehre maßgeblich ist, hatte das Votum des Arbeitskreises abgelehnt.
Bislang können evangelische und katholische Christen nicht gemeinsam Abendmahl feiern, das würde eine kirchliche Einheit voraussetzen. In Ausnahmefällen ist eine Teilnahme etwa von Ehepartnern evangelischer Konfession an der katholischen Eucharistie möglich.