Tübingen (epd). Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den verstorbenen katholischen Theologen Hans Küng als einen "Botschafter der Völkerverständigung" gewürdigt. Beim Trauergottesdienst für Küng in der Tübinger Kirche St. Johannes sagte er am Freitag, Küng hinterlasse ein wertvolles Erbe: nämlich die Überzeugung, dass es eine gemeinsame Grundlage aller Weltreligionen gibt, die in Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität liege. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) nannte Küng einen "Glücksfall" für Tübingen. Er habe auf vielen Ebenen Spuren in der Stadt hinterlassen und sie weltweit bekanntmacht.
Der Ministerpräsident bezeichnete Küng als "großen geistigen Lehrer meiner Generation". Er erinnerte daran, dass der Entzug der Lehrerlaubnis Küng "tief getroffen und verletzt" habe und für viele Menschen "ein Donnerschlag" gewesen sei. Doch Küng habe aus der Erschütterung einen Neubeginn gemacht. Auch posthum wünschen sich Freunde und Wegbegleiter des im Alter von 93 Jahren verstorbenen Küng noch seine Rehabilitierung durch die katholische Kirche wegen der Aberkennung der Lehrerlaubnis im Jahr 1979. Küng hatte unter anderem die Unfehlbarkeit des Papstes infrage gestellt.
Eberhard Stilz, Präsident der von Küng gegründeten Stiftung Weltethos, betonte, Küng habe "Versöhnung, nicht Revolte" angestrebt. Kritik habe er stets als Dienst an der Sache verstanden. Küng sei ein "Humanist und Gottesdiener" gewesen, der "der Welt zum Besseren verholfen" habe. Er habe für die Ökumene gelebt, die für ihn den ganzen Erdkreis einschloss, und in der Unterschiede nicht eingeebnet würden, aber einer moralischen Ordnung untergeordnet seien, die Frieden und Humanität zum Ziel habe.
Der Trauergottesdienst für den am 6. April im Alter von 93 Jahren verstorbenen Theologen wurde geleitet von Pfarrer im Ruhestand Wolfgang Gramer. Der Wegbegleiter Küngs über Jahrzehnte sagte, er hoffe immer noch "auf einen konkreten Schritt aus Rom", damit in Bezug auf den Entzug der Lehrerlaubnis für Küng aus dem Jahr 1979 "bereinigt würde, was zu bereinigen ist". Er betonte, dass Küng weder für sich noch für seine Mitstreiter in Bezug auf die katholische Kirche wünschte "das Boot zu verlassen, sondern zu schauen, dass der Kurs sich ändert". Küng habe "an einer falsch verstandenen Unfehlbarkeit gerüttelt".
Seine Beisetzung hatte Hans Küng, der in den letzten Monaten schwer krank war, bereits seit Jahren akribisch vorbereitet. So kaufte er bereits vor rund 20 Jahren sein Grab in der Nachbarschaft seines Freundes Walter Jens auf dem Alten Stadtfriedhof von Tübingen. Symbolträchtig trugen zwei Frauen und zwei Männer gemeinsam den von ihm ausgesuchten Sarg aus Kirschbaumholz aus der Kirche St. Johannes, wo sein Trauergottesdienst stattfand. Exakt vorbereitet hatte Küng auch Texte und Lieder für den Trauergottesdienst, der wegen des nicht ökumenisch feierbaren Abendmahls bewusst keine katholische Messe sein sollte. Sein Tübinger Haus und Vermögen hinterlässt er der Stiftung Weltethos.
Hans Küng stammte aus der Schweiz und lehrte 1960 bis 1996 an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seine kirchliche Lehrbefugnis an der Katholisch-Theologischen Fakultät entzog ihm die katholische Kirche 1979. Das Land Baden-Württemberg und die Universität schufen daraufhin einen eigenen Lehrstuhl für Küng. Im Jahr 1995 gründete der Theologe die Stiftung Weltethos, die dazu beitragen soll, Frieden unter Religionen und Nationen zu fördern.